“Demokratie
braucht
politische Bildung”

E-Partizipation – Kann die Krise der Demokratie digital gelöst werden?

Foto: Carola Brindoepke/Haus Neuland
11.11. 2015

Die Kommission Jugendbildung tagt in Haus Neuland

 

Vom 20. bis 22. Oktober 2015 tagte die Kommission Jugendbildung im Haus Neuland, Bielefeld. Die Frage „Kann die Krise der Demokratie digital gelöst werden?“ und die Befassung mit den Entwicklungen und Chancen der E-Partizipation standen im Zentrum der Beratungen der Kommission Jugendbildung.

 

Boris Brokmeier führte in den Themenschwerpunkt ein und gab zunächst einen Überblick über die Entwicklung von Partizipation und Bürgerbeteiligung in Deutschland aus dem Blickwinkel des Governance-Ansatzes. Partizipation ist ein notwendiges Instrument in der repräsentativen Demokratie, die insbesondere von abnehmendem Interesse, geringerer Wahlbeteiligung, zurückgehenden Mitgliederzahlen bei den Parteien und einer sinkenden Bereitschaft zur Kandidatur für öffentliche Ämter gekennzeichnet ist.

 

Neben dem Wahlrecht als formales und verfassungsmäßiges Instrument der Partizipation sind für die politische Bildung die non-formalen und informellen Möglichkeiten wichtig, um Menschen an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen zu beteiligen.

 

Die neuen Wege via Internet zur Verbesserung der Partizipation sind als „E-Partizipation“ bereits eingeführt und in verschiedenen Modellen, wie z. B. „Ich mache Politk.de“ des DBJR, „Ypart“ des IJAB oder Blended Learning Democracy des AdB erprobt worden. Sie alle haben zum Ziel, ein Mehr an Beteiligung für junge Menschen ermöglichen zu wollen, indem ihre „digitale Lebenswelt“ dafür nutzbar gemacht wird. Die Nutzung der digitalen Möglichkeiten kann zu einer verbesserten Kommunikation zwischen Politik und jungen Menschen führen, da alle im Netz aktiv sind und dies für ihre Zwecke und mit ihren Mitteln nutzen.

 

Die Aufgabe der politischen Bildung wird in der Vermittlung von Medienkompetenz und der Gestaltung der E-Partizipations-Verfahren als Bildungsprozess liegen, denn Demokratie und Politik müssen gelernt werden, auch wenn sie im Internet stattfinden.

 

In einem zweiten Schritt stellte Eva Panek die Arbeit des Vereins Liquid Democracy vor, der im u. a. Software für Partizipationsverfahren entwickelt. „Flüssige Demokratie“ soll für eine fließende Verbindung zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und der Politik sorgen. Der Verein ist vor etwa 10 Jahren entstanden.

 

Ein weiterer Akteur ist der Verein „Interaktive Demokratie e. V.“, die mit Agenda Setting und Konsultationen die Beteiligung innerhalb der Zivilgesellschaft in den Vordergrund stellen. Grundlage ist die entwickelte Software „Adhocracy.de“ und „YPart.eu“ für Jugendpartizipation.

 

Eva Panek benannte als Bedingungen für das Gelingen von E-Partizipation die Beratung und Verzahnung von On- und Offline, personelle und finanzielle Ressourcen, politische Unterstützung, Qualifizierung von Multiplikatoren sowie die Förderung für Modell- und Pionierprojekte. Online-Beteiligungsprojekte sind als Angebot eines definierten Beteiligungsprozesses zu verstehen. Es sein ein Fehler, Projekte vorschnell wieder zu beenden, nur weil die Beteiligungszahlen zu gering sind. Vielmehr sei es eine Abwägung zwischen Quantität und Qualität. Selbst zwei gute Beiträge können schon weiterführend sein.

 

Zu klären ist die Rolle der politischen Bildung in Beteiligungssettings. Insbesondere die Offline-Beteiligung kann durch Präsenzseminare ergänzt und mit Handlungskompetenz vermittelt werden. Martin Klähn nennt in diesem Zusammenhang Moderationstätigkeiten als Aufgabe der politischen Bildung.

 

In einem dritten Teil des Thementages informierte sich die Kommission über das Projekt „Jugend Medien Partizipation“ (JUMP) von Haus Neuland. Die Projektleiterin Julia Behr stellte das Projekt vor, das vom Land NRW für drei Jahre gefördert wurde. Die primären Zielgruppen sind benachteiligte Jugendliche. In Workshops für Jugendliche „Log dich ein, misch dich ein“ können Jugendliche Themenmodule aus einem Katalog auswählen, die sich mit Chancen und Risiken der digitalen Medien auseinandersetzt. Weiterhin sind JUMP-Feriencamps im Angebot und eine Zertifikatsausbildung für Pädagoginnen und Pädagogen („Train @ jump" und „Jump vor Ort“).

 

Abschließend erarbeitete die Kommission Schlussfolgerungen, wie das Thema weiter in die politische Bildung getragen werden kann: Grundsätzlich wird angeregt, Projekte zum Thema E-Partizipation zu entwickeln und Jugendliche stärker zu motivieren, sich dafür zu interessieren. Die Inhalte bedürfen eines angemessenen Zeitraumes. Geteilt wird die Sorge, dass das Engagement zur Partizipation nicht zu einem Ergebnis führt. Daneben ist zu klären welches Verfahren für welche Settings passt und wann das Spezifische der politischen Bildung in einem Partizipationsprozess anfängt. Vorgeschlagen wird auch, E-Partizipation stärker für die innerverbandliche Kommunikation zu nutzen. Es ist aber darauf zu achten, dass ein Scheitern von benachteiligten Jugendlichen in Bildungsveranstaltungen mit Medieneinsatz vermieden wird und eher die Stärken und Kompetenzen hervorgehoben werden. Grundsätzlich sieht die Kommission aber Bedenken, dass auf diesem Wege bzw. mit diesen Mitteln die Krise der Demokratie behoben werden könnte.