“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Religionen in der säkularen Demokratie

Fachtagung "Religionen in der säkularen Demokratie": Interessiertes Publikum
Foto: AdB
19.06. 2016

Fachtagung zu den Herausforderungen und Möglichkeiten der politischen Bildung

 

Am Dienstag, 14. Juni 2016, fand im tanzhaus nrw in Düsseldorf die Fachtagung „Religionen in der säkularen Demokratie. Ein Thema der politischen Bildung“ statt. Eingeladen hatten der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten, die Landesarbeitsgemeinschaft für eine andere Weiterbildung NRW und die Landeszentrale für politische Bildung NRW, die die Tagung gemeinsam vorbereiteten und verantworteten. Zudem konnte die Arbeitsgruppe Politische Bildung des Gesprächskreises der Landesorganisationen für Weiterbildung in NRW für die Zusammenarbeit gewonnen werden.

 

Cirka fünfzig Teilnehmende aus Einrichtungen und Initiativen politischer Bildung, aus Wissenschaft und Praxis und Ministerien waren der Einladung gefolgt. In einem sehr dichten Programm erhielten sie verschiedene Inputs zu diesem aktuellen und mitunter durchaus brisanten Thema und hatten die Gelegenheit, sich untereinander über die Herausforderungen für die politische Bildung auszutauschen.

 

Den einführenden Vortrag hielt Frau Professorin Dr. Heidemarie Winkel, Universität Bielefeld, zum Thema „Religionen im säkularen Rechtsstaat“. Sie referierte die ideellen Grundlagen des Leitbildes des säkularen Rechtsstaats und nahm das Verhältnis von Religionen und säkularem demokratischen Rechtsstaat in den Blick. In einem weiteren Strang beschrieb sie die Religionskritik als Spiegelbild umfassender gesellschaftlicher – sozialer, politischer und ökonomischer – Spannungen. Hier nannte sie als Beispiele die Krise westlicher Mittelschichten, eine neoliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik, Wettbewerbslogiken als zentrale Sinn- und Ordnungsinstanzen sowie Ungleichwertigkeitsideologien.

 

Dieser Beitrag wurde aus christlicher Sicht durch Dr. Sabine Federmann, Institut für Kirche und Gesellschaft, und aus islamischer Sicht durch Rabeya Müller, Zentrum für islamische Frauenförderung und -forschung, kommentiert. Beide hoben hervor, dass Religionsgemeinschaften Aufgaben und Verantwortung als zivilgesellschaftliche Akteure übernehmen und sich dieser Rolle bewusst werden müssten. Vertreter/-innen der Religionen verfügen über einen wichtigen Erfahrungsschatz, den sie der Gesellschaft gewinnbringend zu Verfügung stellen können.

 

Professor (em.) Dr. Benno Hafeneger, Universität Marburg, nahm die sozialen Ursachen für den Zulauf junger Menschen zu religiös-fundamentalistischen und anderen extremistischen bzw. extremen Positionen und Bewegungen in den Blick und beschrieb daraus erwachsene Herausforderungen für die politische Bildung. Daran konnte unmittelbar mit zwei kurzen Interviews mit Ulrika Engler (aktuelles forum e. V.) und Ulrich Brinker (Institut für Migrations- und Aussiedlerfragen) angeknüpft werden, in denen es exemplarisch um die Praxis politischer Bildung ging. Die zentralen Aussagen waren hier, wie wichtig es ist, Zugänge und Räume zu eröffnen. Hierbei können insbesondere Brückenpersonen und -organisationen eine wichtige Rolle spielen. Dies wurde auch im darauf folgenden Diskussions-Café bestätigt.

 

An verschiedenen Thementischen wurde über die Rolle diskutiert, die die politische Bildung für ein tolerantes, offenes und wertschätzendes Miteinander sowie für einen kritischen Dialog zwischen den Religionen hat. Es wurde erörtert, in welcher Weise das Thema „Religionsfreiheit und Demokratie“ in der politischen Bildung am besten aufgegriffen werden kann, aber auch, wie politische Bildung mit Menschen gelingen kann, die der modernen demokratischen Gesellschaft kritisch bzw. ablehnend gegenüberstehen. Die Rolle der politischen Bildung ist es, so die Teilnehmenden, Menschen dabei zu unterstützen, mündige, aufgeklärte, kritikfähige und solidarische Bürgerinnen und Bürgern zu werden. Dabei sei es insbesondere wichtig, sozial marginalisierte Menschen zu erreichen. Deutlich wurde in verschiedenen Statements, wie wichtig es ist, dass politische Bildung lebensbegleitende Räume für Begegnungen schafft und (Frei-)Räume öffnet, in denen auch ein Austausch über Religionen und deren Vereinbarkeit mit Demokratie und Menschenrechten möglich wird. Es sollten Deutungsangebote gemacht und Sinnfragen zugelassen werden. Gerade in der politischen Bildungsarbeit mit Menschen, die der modernen demokratischen Gesellschaft und den Institutionen kritisch bzw. ablehnend gegenüberstehen, sei es notwendig, vorhandene Vorbehalte aufzugreifen und den Wert von Demokratie durch Erfahrungslernen zu fördern. Zudem kann eine langfristige und kontinuierliche Begleitung hilfreich sein. Politische Bildung muss an gemeinsamen und unterschiedlichen Lebenswelten und -erfahrungen der Teilnehmenden mit und ohne Migrationshintergrund ansetzen. Grenzen politischer Bildung aber seien dann erreicht, so eine Diskussionsrunde, wenn „Überwältigung“ (Beutelsbacher Konsens) ins Spiel kommt. Im Fokus politischer Bildung müsse die Demokratisierung der Gesellschaft stehen. Deshalb sei die entsprechende fachliche Expertise zentral für Demokratiebildung.

 

In einer Abschlussrunde bekamen die Referentinnen und Referenten die Gelegenheit, den politischen Bildnerinnen und Bildnern etwas mit auf den Weg zu geben: Wichtig sei es, so eine Botschaft, die aktuellen gesellschaftlichen Prozesse zu beobachten, aber die Probleme nicht allein auf die Religion zu fixieren. Der Gesellschaft würde vielmehr ein lockeres Verhältnis zur Religion gut tun. Soziale Ungleichheit, Präkarisierungen und eine allgemeine Unzufriedenheit sollten als Ursachen für demokratiefeindliche Positionen und zunehmende Radikalisierungen auf unterschiedlichen Ebenen stärker in den Blick genommen werden. Eine Selbstvergewisserung und Sensibilisierung der politischen Bildner/-innen – Wie halte ich es mit der Religion? – sei notwendig, um den Blick auf die Teilnehmenden neu zu öffnen und die unterschiedlichen Einflüsse, die uns alle prägen, besser wahrzunehmen. Es sei eine dezidierte Aufgabe politischer Bildung, der Pluralität zur Entfaltung zu verhelfen.

 

Die Fachtagung war die zweite einer 2015 ins Leben gerufenen Tagungsreihe der Fachzeitschrift „Außerschulische Bildung“: In jedem Jahr wird eine Veranstaltung zum jeweiligen thematischen Schwerpunkt des ersten Heftes in Kooperation mit einer anderen Einrichtung oder Organisation und in einem anderen Bundesland durchgeführt. Ziel ist es, mit der Tagung aktuelle Themen aus Politik und Gesellschaft aufzugreifen, an die Beiträge in der Zeitschrift anzuknüpfen, einige Aspekte zu vertiefen und neue Akzente zu setzen. Das ist mit dieser Tagung sehr gut gelungen.