“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Demokratiebildung unter schwierigen Bedingungen - Zweites deutsch-tunesisches Fachforum

21.03. 2013

Bei der ersten Begegnung in Tunesien stand das Kennenlernen von Arbeitsfeldern der tunesischen Bildungsorganisationen im Mittelpunkt. Natürlich ging es dabei auch um die gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge dieser Arbeit mit dem Arabischen Frühling, der 2010 in Tunesien begann.

 

Seither ist die politische Entwicklung durch den schleppenden Verfassungsprozess unübersichtlicher geworden und zunehmend von Gewalt geprägt. Dies wirkt sich auch auf die Arbeitssituation der tunesischen Partnerorganisationen aus. Auch für die deutschen Beteiligten stellen sich viele neue Fragen. So fieberten alle Partner/-innen dem zweiten Teil des Programms in Deutschland entgegen, um gemeinsam weiterarbeiten zu können.

 

Analog zum Programm in Tunesien sollten die tunesischen Teilnehmenden einen Einblick in strukturelle Voraussetzungen demokratischer Jugendbildungsarbeit in Deutschland erhalten und gemeinsam mit den deutschen Partner/-innen fachlich zu Themen politischer Jugendbildung arbeiten. Die als Resultat des ersten Forums von beiden Seiten als relevant und wichtig für die künftige Zusammenarbeit erachteten Themen wurden von den deutschen Partnern in Form von Workshops gestaltet.

Menschenrechte und Bildungsarbeit

Gertrud Gandenberger (Internationales Forum Burg Liebenzell) arbeitete mit den Teilnehmenden zum Thema Menschenrechte und Bildungsarbeit. In Kleingruppen wurden Frauenrechte, Religion, Wertigkeit unterschiedlicher Menschenrechte erörtert. Marina Grasse von OWEN war Gesprächspartnerin zum Thema Frauenrechte im Kontext von Demokratiebildung durch NGO´s. Dabei interessierte die Teilnehmenden der von ihr gewählte biographische Ansatz, der es erleichterte, die Motivationen für Bildungsarbeit nachzuvollziehen. Gleichzeitig bot der Erfahrungshintergrund der nun in Berlin-Neukölln aktiven Organisation OWEN Anlass für eine kontroverse Diskussion, in der es um das Selbstverständis von NGO´s in Abgrenzung zu sozialen Bewegungen ging.

Historisch-politische Bildung

Historisch-politische Bildung vor allem zum Holocaust beleuchtete Patrick Siegele am Beispiel des Anne Frank Zentrums. Der Holocaust ist ein Schlüssel zum Selbstverständnis politischer Bildungsarbeit in Deutschland. Vor dem Hintergrund der arabisch-deutschen Gruppenkonstellation begab man sich dabei in eine schwierige Diskussion über die Unterscheidung zwischen Kritik an israelischer Politik und damit einhergehendem Antisemitismus.

 

Mit Gabriele Camphausen, Referentin für politische Bildung an der Stasi-Unterlagenbehörde, wurde intensiv zu Geschichte und Aufarbeitung von DDR-Unrecht diskutiert. Die Arbeit dieser Behörde als einer aus zivilgesellschaftlichem Engagement heraus entstandenen Institution kennenzulernen, war eine wertvolle Erfahrung. Die Teilnehmer/-innen erhielten dabei Einblicke in die vielfältigen Brüche in den Narrativen zur DDR zwischen und innerhalb Ost- und Westdeutschland und darauf angelegte pädagogische Konzepte.

Politische Jugendbildung und Religion

Klaus Waldmann von der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung war der Gruppe ein wertvoller Gesprächspartner für das Verständnis von politischer Jugendbildung vor dem Hintergrund von Kirche und Religion. Da die tunesischen Teilnehmenden in ihrem eigenen Land erleben, dass sich starke religiös geleitete Interessengruppen den Staat zu eigen machen, stellten sie viele Rückfragen zu Auftrag, Selbstverständnis und Hintergrund wie auch potentiellen Interessenskonflikten.

 

Ein weiterer Workshop zum Umgang mit Extremismus und Islamophobie, der das gesamte Programm abgeschlossen hätte, konnte leider nicht wie geplant durchgeführt werden. Es bestand große Einigkeit, dass an diesem Thema künftig weitergearbeitet werden müsse, zumal sich hier für die deutsche und tunesische Bildungspraxis viele Parallelen ergeben hätten.

Fachgespräch mit Rüdiger Kappes vom Auswärtigen Amt

Mit Rüdiger Kappes vom Auswärtigen Amt sprachen beide Gruppen über Perspektiven der künftigen Zusammenarbeit. Dieses gemeinsame Fachgespräch brachte zum einen die Wertschätzung der staatlichen Seite gegenüber dieser von ihr geförderten Kooperation zum Ausdruck, zum anderen bot es dem Auswärtigen Amt auch eine Gelegenheit, sich fachlich aus der Persepktive der Bildungsarbeit beraten zu lassen.

Zukunftsperspektiven

Eine ganze Reihe von Feldern für künftige Kooperationen im Bereich demokratischer Jugendbildung wurden von den Teilnehmer/-innen benannt. Es wurde aber auch nachdrücklich klargestellt, dass es einer Verstetigung des Programms bedarf, wenn nachhaltige Ergebnisse erzielt werden sollen. Gefordert wurde, dass die Förderung zukünftiger Kooperation nicht im Rahmen des KJP-International angesiedelt werden, sondern beim Auswärtigen Amt verbleiben soll.