“Demokratie
braucht
politische Bildung”

AdB-Fachtagung zu Problemen der Demokratieentwicklung in Europa

Fachtagung
10.12. 2012

In der Europäischen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar fand vom 27. – 28. November 2012 eine Fachtagung des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten statt, die unter dem Titel „Freiheit, schöner Götterfunken - Demokratie und Demokratiegefährdung in Europa“ Probleme der Demokratieentwicklung auf der Ebene der europäischen Institutionen und in den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU, politische Konzepte zur Demokratieförderung in Europa und Beispiele europapolitischer Bildung in der Praxis der AdB-Mitgliedseinrichtungen zur Diskussion stellte.

 

Den Aufschlag machte PD Dr. Claudio Franzius von der Universität Hamburg, der dafür plädierte, den zu beobachtenden Demokratiegefährdungen in der EU auf verschiedenen Ebenen zu begegnen. Die Demokratie in Europa könne sich nicht mehr allein über die einzelnen Mitgliedsstaaten legitimieren, es sei notwendig, auch auf der Ebene der EU eigene demokratische Instrumentarien zu entwickeln und die Bürger/-innen an den politischen Entscheidungen zu beteiligen. Franzius empfahl, die Institutionen der EU zu demokratisieren, u. a. das Europäische Parlament durch ein Initiativrecht aufzuwerten und die EU-Kommission durch das Europäische Parlament wählen zu lassen. Die Handlungsmöglichkeiten der europäischen Parteien müssten gestärkt, die Möglichkeiten transnationaler Bürgerbeteiligung durch die bereits eingeführte Europäische Bürgerinitiative genutzt und erweitert werden. Non-Profit-Organisationen sollten bei der Vorbereitung politischer Entscheidungen ebenso berücksichtigt werden wie die großen Lobby-Verbände, die auf die Politik der EU-Kommission in Brüssel Einfluss zu nehmen versuchten.

 

Wie die EU die Demokratie in den europäischen Staaten fördert, erläuterte Irene Hahn, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die Förderung der Demokratie in den mittelosteuropäischen Beitrittsstaaten habe man durch ihren Beitritt gewährleistet gesehen, da damit eine Übernahme des EU-Regelwerks verbunden war. Sicherheits- und ökonomische Interessen bestimmten die Demokratieförderung in den südosteuropäischen Staaten, die (noch) nicht Mitglied der EU sind. Hier unterstützt die EU vorrangig die Reform der Polizei und Maßnahmen zur Kontrolle von Flüchtlingsbewegungen.

 

Das wird – ebenso wie die Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Opposition sowie die Arbeit der politischen Stiftungen in den postsozialistischen Ländern - von den betroffenen Regierungen und auch den Gesellschaften als externer Eingriff verstanden und skeptisch betrachtet, so das Ergebnis einer Studie. Die finanzielle Förderung von ehrenamtlichem Engagement führe zudem in eine bezahlte Tätigkeit, die in Form einer politischen Dienstleistung nicht als eigenständige demokratische Entwicklung aus der eigenen Gesellschaft heraus wahrgenommen werde.

 

Ob sich durch das Konzept des Active Citizenship die Demokratie in Europa stärken lässt, war eine Frage, die im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion auf der Veranstaltung stand, an der Manfred von Hebel, Jugend für Europa, Bonn, Dr. Hendrik Otten, IKAB, Bonn, Dr. Christine Pütz, Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin, und Györgyi Toth, Active Citizenship Foundation, Ungarn/DARE, teilnahmen. Hier ging es um den Abbau demokratischer Rechte in Ungarn, die europäischen Bildungsprogramme und deren Funktion bei der Vermittlung der Demokratie, die – so die Kritik - aktuell zu sehr auf das Konzept des Lebenslangen Lernens setzten und dabei ein auf demokratische Beteiligung zielendes Bildungsangebot vernachlässigten. Das Konzept „Active Citizenship“ simuliere Beteiligung, messe diese aber an den Zahlen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern und nicht an der Befähigung zu politischem Engagement.

 

Die Fachtagung bot Gelegenheit, in Arbeitsgruppen über verschiedene Ansätze der politischen Bildung im AdB zum Thema Europa und die Rahmenbedingungen europapolitischer Bildung zu diskutieren. Die Voraussetzungen und die Situation der politischen Bildung in Russland, Polen und Lettland, ein Peer-to-Peer-Ansatz in der europapolitischen Jugendbildung mit benachteiligten Jugendlichen, das Konzept „Think Europe“ für bi- und internationale europapolitische Seminare für Schüler/-innen und die europäisch, demokratisch und menschenrechtsorientierte internationale Bildungspraxis mit Jugendlichen standen im Mittelpunkt der Diskussionen in den Arbeitsgruppen. Das Thema der Fachtagung wird im Jahr 2013 im Mittelpunkt weiterer Aktivitäten des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten und seiner Mitglieder stehen.