“Demokratie
braucht
politische Bildung”

„Kinder sind großartige Tandempartner*innen in der Bildungsgestaltung“

Das AdB-Modellprojekt Demokratie-Profis in Ausbildung! – Politische Bildung mit Kindern
AdB-Projekte in Bundesprogrammen

Im zweiten Jahr des aus dem Bundesprogramm Demokratie Leben! geförderten Modellprojektes wurden vielfältige und erfolgreiche Aktivitäten mit Grundschulkindern realisiert und positiv ausgewertet. Zugleich gab es ein hohes Interesse von Fachkräften an Hilfestellungen und Qualifizierungen für die politische Bildung mit Kindern. Umso wichtiger ist es, dass der AdB die Ergebnisse des Projektes in den Fachdiskurs und entsprechende Fortbildungen einbringt. Denn es gilt, Kinder in der politischen Bildung künftig selbstverständlich zu adressieren.

Kinder denken zusammen über ihre Rechte nach
Kinderrechte werden sichtbar gemacht, Foto: Freizeitwerk Welper

Mit dem Modellprojekt Demokratie-Profis in Ausbildung! Politische Bildung mit Kindern, gefördert durch das Bundesprogramm Demokratie leben!, erprobt und stärkt der AdB Formate und Ansätze der politischen Bildung mit Kindern im Alter von sechs bis zwölf Jahren. An sieben Pilotstandorten werden Konzepte (zum Teil gemeinsam mit Kindern) entwickelt, erprobt und evaluiert. Das Projektteam in der AdB-Geschäftsstelle begleitet die Pilotstandorte und organisiert die Vernetzung und den kollegialen Fachaustausch unter den Beteiligten. Der Fokus liegt jedoch auf der Sammlung und Diskussion der Erfahrungen und Konzepte. Denn schließlich bringt das Projekt die Erkenntnisse in die Gremien des AdB ebenso ein, wie in den bundesweiten Fachdiskurs und gestaltet entsprechende Fortbildungs- und Austauschformate für politische Bildner*innen sowie weitere Interessierte.

 

Formate

 

2021 fanden an den Pilotstandorten  23 Veranstaltungen statt. Die Formate variierten dabei zwischen langfristigen, mehrtägigen und kurzen Workshops, die digital, in der Bildungsstätte, in der Schule, im Rahmen von Aktionstagen oder an anderen Orten des Sozialraums stattfanden. Es ging dabei zum Teil um Themen, die ganz nah am Alltag der Kinder ansetzten (Schüler*innenvertretung, Kinderrechte, Mitbestimmung in Schule und Kommune, digitaler Alltag, Diskriminierung und soziale Ungleichheiten). Aber auch Diskurse zu Globalisierung und Klimapolitik wurden aufgegriffen. Hier seien nur drei Beispiele genannt:

 

Der Ansatz der von Die Kopiloten e. V., die Kinderbücher als Einstieg und Ausgangspunkt ihrer Angebote nutzen, ist glücklicherweise recht unkompliziert an verschiedenen Orten einzusetzen. So war es möglich, mit Kindern z. B. auf einem Stadteilfest inhaltlich zu arbeiten.

In der Historisch-Ökologische Bildungsstätte Emsland in Papenburg e. V. setzten sich die Teilnehmenden jeweils intensiv mit Themen wie Kinderfreundlichkeit, Kinderrechte, Mitbestimmung, Schule und Klima auseinander. So planten und bauten die Kinder z. B. ihr eigenes Dorf und stellten sich verschiedensten Fragen, um schließlich Akteur*innen in Schule, Verwaltung oder Politik ihre Wünsche und Vorschläge für die Schule und die Kommune darzulegen. Auch wenn dies sehr positiv ausgewertet wurde, so war es für die Kinder doch auch wichtig, kurzfristige Veränderungen zu erreichen, indem sie direkt selbst aktiv wurden.

 

Damit Kinder Mitgestaltungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten besser nutzen können, die ihnen bereits zugestanden werden, haben sie in den Angeboten der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein die Möglichkeit, sich intensiv auf die (weitere) Arbeit in der Schüler*innenvertretung vorzubereiten. Auch dies war trotz der durch Corona erschwerten Umstände möglich.

 

Kooperationen

 

Weiterhin arbeiteten die Pilotstandorte mit verschiedenen Kooperationspartner*innen zusammen. Die Grundschule stellte den häufigsten Kooperationspartner dar, der auch zentral zur Erreichung der Zielgruppe beiträgt. Da pandemiebedingt die Zusammenarbeit mit und in Schulen häufig schwierig war, wichen einige Pilotstandorte nicht nur auf andere Kooperationspartner*innen aus, sondern erschlossenen sich auch neue Lernräume. So wurden Workshops unter freiem Himmel im Rahmen anderer Veranstaltungen (bspw. Demokratiefest) durchgeführt, was einerseits Herausforderungen (Lärm, relativ offener, ungeschützter Raum) mit sich bringt, aber auch eine ganz andere Workshop-Stimmung erzeugt, die die Offenheit und Motivation von Kindern unterstützte, an die doch eher schwierigen und reflexiven Themen heranzugehen. Kooperationspartner*innen bei diesen und anderen Formaten waren Kinder- und Jugendverbände, religiöse Gemeinden, Kinder- und Jugendzentren, verschiedene Vereine, aber auch Universitäten und eine Stadtbibliothek.

eine Kindergruppe diskutiert
Mitbestimmung von Kindern stärken – auch und insbesondere unter erschwerten Rahmenbedingungen, Foto: Andi Weiland | andiweiland.de

Die Kooperationen werden daher bisher als grundsätzlich positiv beschrieben, auch wenn die Abstimmungen im Vorfeld bzw. die Verständigung über Ansätze und Zielstellungen unterschiedlich aufwendig sind.

 

Auch wenn es nicht im eigentlich Sinne zu den Kooperationen zählt, ist doch an dieser Stelle noch zu erwähnen, dass im Rahmen der Ferienaktion von Teilseiend e. V.  eine sehr ausgeprägte Elternarbeit etabliert wurde, um möglichst niedrigschwellige Zugänge zu diesem Angebot zu eröffnen.

 

Erfahrungen

 

Aufgabe des Modellprojektes und der Pilotstandorte ist nicht nur die Konzeption und Umsetzung von Angeboten für Kinder. Vielmehr nimmt es viel Zeit in Anspruch, die Erfahrungen aus den Aktivitäten der Pilotstandorte und dem Gesamtprojekt zu evaluieren, diskutieren und aufzubereiten um sie in den Fachdiskurs einbringen zu können. Dabei wird das Projekt wissenschaftlich durch Camino unterstützt. 2021 wurde das Feinkonzept für die Begleitung entwickelt und es gab an allen Pilotstandorten Workshops um die jeweiligen Wirkmodelle zu visualisieren. Anhand dieser werden künftige Ergebnisse abgeglichen. Zudem werden die Vernetzungstreffen und die Gespräche mit den Pilotstandorten genutzt um Eindrücke und Ansätze zu sammeln und Diskurse aufzugreifen.

 

Generell wird von den Pilotstandorten betont, wie wichtig die Selbstreflexion sei, da Kinder, ihr Wissen, ihre Reflexionsfähigkeit und ihr Deutungsvermögen immer wieder stark unterschätzt werden. So stellen viele Kolleg*innen der Pilotstandorte auch fest, dass es weniger Hürden gibt als erwartet, wenn es um die Motivation, Auffassungsgabe und das Engagement der jungen Zielgruppe geht. Selbst in Bezug auf die konkreten Formate wurde reflektiert, dass weit weniger Methodenanpassungen nötig gewesen wären. Wichtig sei es aber, kreative und aktive Methoden in einem höheren Maße zu nutzen und nicht zu enge Zeitabläufe zu planen.

 

Auch Corona hat im vergangenen Jahr wieder zu Herausforderungen und Änderungen der Konzepte geführt, es musste aber nur eine Veranstaltung komplett abgesagt werden. Häufiger kam es zu veränderten Formaten wie Verlegung ins digitale, andere Räumlichkeiten, Arbeit mit kleineren Gruppen. Nach langem Homeschooling beschreiben mehrere Pilotstandorte, dass ein hoher Betreuungsschlüssel (insbesondere bei Angeboten mit Übernachtung) notwendig ist. Die Kinder sind es meist weniger gewohnt, von zuhause weg zu sein und so ist eine intensive Betreuung notwendig um die nötige Beziehungsarbeit leisten zu können.

 

Die Möglichkeiten zur Partizipation waren ebenso unterschiedlich wie die Formate. Besonders in den kurzen aufsuchenden Formaten gab es nur eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten während bei längeren Formaten mehr Entscheidungen und Mitbestimmung möglich war. Grundsätzlich wurde deutlich, dass mehr Mitbestimmung möglich ist, wenn die Rahmenbedingungen möglichst flexibel oder zumindest die Vorbereitung und das zur Verfügung stehende Material möglichst umfangreich ist.

 

Ein besonders partizipatives Konzept wurde im ABC Bildungs- und Tagungszentrum realisiert. Dort entwickelte eine Gruppe von Kindern eine Detektiv-Rallye, die verschiedene diskriminierungskritische Aspekte beleuchtet. Nicht nur dort wurden Kinder als „großartige Tandempartner*innen in der Bildungsgestaltung“ erlebt.

 

Da (nicht nur) bei Kindern ein großer Teil der Verarbeitung und Auseinandersetzung mit den Inhalten eher am Rande der eigentlichen Maßnahmen stattfindet, ist es wichtig darauf zu achten, wie dies aufgefangen und begleitet werden kann. In der Jugendbildungsstätte Freizeitwerk Welper wurde dafür eigens ein Raum zur Verfügung gestellt, der den Kindern als Rückzugsort dient.

 

Diskurs

 

Neben den Erfahrungen an den Pilotstandorten war die 2020 durchgeführte Bedarfserhebung, die 2021 veröffentlicht wurde, Ausgangspunkt der Projektaktivitäten 2021 und Leitlinie für den Fachdiskurs. Die Ergebnisse lassen sich nicht einfach verallgemeinern und sind nicht repräsentativ für das Feld der politischen Bildung. Jedoch lassen sich qualitative Aussagen im Hinblick auf bisherige Praxiserfahrungen und zukünftige Bedarfe im AdB treffen. Hierzu zählen u. a. die fachliche Weiterbildung, Qualifikation sowie der Austausch in Hinblick auf methodisches Vorgehen, Sensibilisierung für die Bedarfe und Kompetenzen von Kindern und auf die zielgruppengerechte Gestaltung von Angeboten sowie die Ausweitung der Partizipation von Kindern im Vorfeld und bei der Umsetzung. Das Modellprojekt will u. a. durch Fortbildungsangebote sowie weiteren Erfahrungsaustausch und Vernetzung zur Weiterentwicklung des Feldes in diesem Sinne beitragen.

Gruppenarbeit mit Kindern
Politische Bildung mit Kindern – lebensweltnah und spielerisch gestaltet, Foto: Damaris Wardenga

Die Ergebnisse der Bedarfserhebung sowie die ersten Erfahrungen der Pilotstandorte wurde intensiv in den verschiedenen Austausch- und Diskursformaten des Projektkontextes diskutiert und auf vielfältigen Wegen der interessierten Fachöffentlichkeit präsentiert.

Zudem hat besonders die Teilnahme in Form eines Online-Workshops im Rahmen des 17. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetags (DJHT) sowie die Präsenz am Messestand der Gemeinsamen Initiative der Träger politischer Jugendbildung (GEMINI) zur Bekanntmachung des Projekts sowie zur Etablierung der Zielgruppe Kinder im Grundschulalter beigetragen. Hervorzuheben ist hier auch der Beitrag „Politische Bildung mit Kindern entwickeln und gestalten“ in der Ausgabe 2/2021 der vom AdB herausgegebenen Fachzeitschrift „Außerschulische Bildung“, die neben den Veröffentlichungen von Projektberichten und Artikeln in weiteren Fachzeitschriften dem Thema zu Aufmerksamkeit verhalf.

 

Zudem konnten verschiedene Veranstaltungen und Aktivitäten in den Netzwerken genutzt werden, um mit Kolleg*innen in den Diskurs zu treten. Die pandemiebedingt reduzierte Anzahl von bundesweiten Präsenzveranstaltungen hemmt neue Kontakte. Hier ist es hilfreich, dass sich viele Schnittstellen selbstverständlich aus den Aktivitäten und Kontakten des AdB ergeben.

 

Die Ergebnisse der Workshops in der Jugendbildungsstätte Kaubstraße wurden in einem Buch festgehalten. In „Wunderwelten – Welt der Wunden; Was wir gewollt haben werden …“ sind Bilder und Begriffserklärungen der Kinder gesammelt zu den Ungerechtigkeiten und Wunden, die sie in dieser globalisierten Welt erkennen. Ein Buch, das zum einen als lauter Aufruf zur Veränderung ernst genommen werden sollte und zum anderen ein ganz praktisches Beispiel dafür ist, dass kein Thema für Kinder zu groß ist. Entsprechend ist dieses Buch eine gute Möglichkeit, um Diskussionen zur politischen Bildung mit Kindern ganz praxisnah einzuführen.

 

Fortbildungen

 

Als bedeutend für die gelungene Umsetzung von politischer Bildung mit der Zielgruppe wurde in der Bedarfserhebung die Ausbildung von sowohl Lehrkräften als auch Fachkräften in der außerschulischen Bildung benannt. Hier zeigt sich, dass Demokratielernen sowie politische Bildung in der Ausbildung von Fachkräften häufig noch unzureichend berücksichtigt wird. Für die Umsetzung von Angeboten mit Kindern wurde die große Bedeutung der Lebensweltorientierung herausgestellt.

 

Was diese Herausforderungen für die eigene Arbeit vor Ort konkret bedeuten, wurde im Rahmen der ersten Fortbildungsangebote aufgegriffen. Welche grundsätzliche Haltung und welche Rahmenbedingungen, aber auch welche Methoden und praktischen Kniffe dafür hilfreich sind, war der rote Faden für den angeregten Austausch im Rahmen der „Methodenwerkstatt politische Bildung mit Kindern I: Partizipative Herangehensweisen im Fokus“, der durch Impulse von Referentinnen aus Praxis und Forschung unterstützt wurde (Prof. Dr. Raingard Kanuer, Aleksandra Ola Bielesza vom Berliner Kita-Institut für Qualitätsentwicklung, Kristina Quandt und Luca Dessombes des Modellprojekts „Hortdialoge & Beteiligung“, Soziale Bildung e. V.). Um eine Präsenzveranstaltung zu ermöglichen, wurde die „Methodenwerkstatt“ erst im September 2021 realisiert. Neben inhaltlichen und methodischen Impulsen bot die Methodenwerkstatt Raum für den fachlichen Austausch der Teilnehmer*innen. So konnten sie aus verschiedenen Kontexten der außerschulischen politischen Bildung viele Anregungen und neue Kontakte für die partizipative Gestaltung politischer Bildungsangebote für Kinder mitnehmen.

 

Anfang Dezember startete die Fortbildungsreihe „Politische Bildung mit Kindern rassismuskritisch gestalten“ mit ihrem ersten (digitalen) Modul. Als Referentin konnte Nkechi Madubuko gewonnen werden. Weitere zwei Module dieser Fortbildungsreihe werden 2022 online und in Präsenz folgen. Das Interesse an diesem Angebot war groß. Dabei waren auch viele Kolleg*innen an einer Teilnahme interessiert, die sich bereits intensiv mit rassismuskritischen Ansätzen beschäftigt haben, nun jedoch nach neuen Impulsen für die Arbeit mit Kindern suchen.

 

Perspektiven

 

Bereits in den ersten zwei Jahren hat das Projekt Demokratie-Profis einiges angestoßen. So gibt es einige Pilotstandorte, die entschieden haben, auch über die Projektlaufzeit hinaus Angebote für die jüngere Altersgruppe ins Repertoire aufzunehmen. Wichtig dafür sind natürlich die notwendigen Finanzierungsmöglichkeiten.

 

Es entstehen weiterhin immer mehr Kontakte zu Kolleg*innen und Akteuren, die sich zu dem Thema mit dem AdB vernetzen und austauschen wollen. Außerdem wird die Zielgruppe Kinder ab 2023 in der neuen Laufzeit des Programms „Politische Jugendbildung im AdB“ aufgegriffen werden und somit ist schon jetzt deutlich über die Laufzeit des Modellprojektes hinaus eine Weiterführung und Weiterentwicklung politischer Bildungsarbeit mit Kindern im AdB verankert.

 

Das Modellprojekt konnte also bereits einige Erkenntnisse sammeln und wird auf dieser Grundlage die weitere Arbeit aufbauen. Generell ist das zugrundeliegende Selbstverständnis stets ein entscheidender Aspekt für die politische Bildung. Es scheint, dass aber bei der Arbeit mit Kindern im Grundschulalter teilweise nochmals andere Maßstäbe angesetzt werden. Die weitere (wissenschaftliche) Begleitung der Pilotstandorte wird diesen Aspekt daher genauer in den Blick nehmen.

 

Besonders bei der Vorbereitung weiterer Fortbildungsangebote gilt es der Frage nachzugehen, was viele Fachkräfte hemmt, Angebote für Kinder zu realisieren. Eine wichtige Grundlage dafür wird es sein, sich mit Haltung, Selbstverständnis und adultistischen Vorannahmen auseinanderzusetzen. Aber auch der Umgang mit Methoden, deren Auswahl und Anpassung wird ein Schwerpunkt sein.

 

Auch für die Kolleg*innen, die bereits routiniert mit Kindern arbeiten, gibt es spannende Fragen zu diskutieren. Denn die Erfahrungen an den Pilotstandorten machen deutlich, dass eine stetige Selbstreflexion hilfreich ist, um zu hinterfragen, wie die eigene Haltung gegenüber den Kindern ist und ob z. B. nicht eine viel grundsätzlichere Mitgestaltung von Bildungsangeboten umsetzbar ist.

 

Das Projektteam der Demokratie-Profis freut sich auf weitere Anlässe für den gemeinsamen Diskurs und den praxisorientierten Austausch und lädt herzlich dazu ein.