“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Wie lässt sich die politische Bildung im ländlichen Raum stärken?

Mitglieder der Kommission für Erwachsenenbildung
Foto: AdB
17.03. 2023

Die Kommission Erwachsenenbildung tagt im ländlichen Schleswig-Holstein

Passender hätte der Ort für die Frühjahrssitzung der Kommission Erwachsenenbildung nicht gewählt sein können, hatten die Kommissionsmitglieder als thematischen Schwerpunkt doch die politische Bildung im ländlichen Raum verabredet. So trafen sich die Kolleg*innen aus unterschiedlichen Bundesländern, von eher ländlich gelegenen Bildungsträgern oder auch aus dem städtischen Raum am 14. und 15. März 2023 in der Gustav-Heinemann-Bildungsstätte im idyllischen Bad Malente – mit einem weiten Blick über den Kellersee.

 

Um sich dem Schwerpunkt „Politische Erwachsenenbildung im ländlichen Raum“ zu nähern, starteten die Kommissionsmitglieder zunächst mit einem Austausch über die Relevanz des ländlichen Raums für die Träger und Einrichtungen. Immer wieder stand dabei die Frage im Raum, ob Bildungsstätten mehr sind als nur ein „Ufo“ im eigenen Umfeld – wie auch Boris Brokmeier in seinem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Außerschulische Bildung“ (AB 1/2023) fragt. Deren Schwerpunkt ist ebenso die politische Bildung im ländlichen Raum.

 

Nur die wenigsten Bildungsstätten sind wirklich im unmittelbaren ländlichen Umfeld eingebunden, da sie bestrebt sind, Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet anzusprechen und – wenn sie einen eigenen Übernachtungsbetrieb haben – ihre Veranstaltungen möglichst mit Übernachtungen anbieten. Bildungsstätten sind also nicht unbedingt als Tagungsort für die lokale Bevölkerung interessant. Dennoch gibt es vielfältige Bestrebungen, in der eigenen Region stärker präsent zu sein und die Häuser bekannter zu machen. Allen ist bewusst, dass sich viele Themen und Initiativen aus der Umgebung in die politische Bildung einbeziehen lassen. Hier werden gezielt Angebote entwickelt, sei es, wenn mit Fahrradseminaren oder gezielten Exkursionen Initiativen und Einrichtungen in der Umgebung einbezogen werden, wie z. B. Direktvermarkter, Dorfmuseen, Gedenkstätten oder auch der ländliche Raum selbst zum Thema wird, wenn es z. B. um den Klimawandel geht, um politische Teilhabe oder um die Aufarbeitung der regionalen Geschichte.

 

Einrichtungen halten den Kontakt zur Kommunalpolitik, zu Vereinen, aber auch zu Betrieben, Ausbildungsstätten, zur Feuerwehr und vor allem natürlich auch zu Schulen. Mit Projekten wie z. B. einem Förderprogramm, bei dem Dorfmoderator*innen qualifiziert werden, oder mit Aktivitäten im Projekt MITEINANDER REDEN können ganz unmittelbar Beiträge für die Umgebung geleistet werden.

 

Manchmal sind auch für Bildungsstätten eher ungewöhnliche Formate wie Vortragsreihen oder Ausstellungen eine Möglichkeit, um die lokale Bevölkerung ins Haus einzuladen und damit bekannter zu machen.

 

Die Diskussion der Kommissionsmitglieder wurde bereichert durch zwei Gäste: Hauke Petersen, Stellvertretender Landesbeauftragter für politische Bildung in Schleswig-Holstein, kennt die Arbeit der außerschulischen politischen Erwachsenenbildung nicht nur aus seiner jetzigen Position heraus, sondern auch als früherer Leiter einer Bildungsstätte im ländlichen Raum. Der Landesbeauftragte für politische Bildung möchte möglichst für alle Menschen in Schleswig-Holstein politische Bildung anbieten. Daher gehen sie aufs Land und machen Angebote für Jugendliche und Erwachsene, kümmern sich um Kinder- und Jugendbeteiligung, organisieren Abendveranstaltungen. Als besonders wichtig für ihre Arbeit – und das ist auch die Erfahrung der Kolleg*innen aus der Kommission – sind die Kooperationspartner. Der Landesbeauftragte darf nicht fördern, kann aber in Kooperationen mit anderen die Bildungsarbeit realisieren. Ziel ist es auch, Maßnahmen in der Kommunalpolitik zu stärken, da es immer wieder Angriffe auf Mandatsträger gibt. Hauke Petersen riet den Kolleg*innen, Strukturen und Netzwerke zu nutzen oder auch neu zu schaffen und zu zeigen: Wir haben hier die Räume und Expertise! Das Potenzial der Räume politischer Bildung muss sichtbarer werden.

 

Der zweite Gast, Alexandra Ehlers, Geschäftsführerin des LandesFrauenRat Schleswig-Holstein e. V., brachte noch einmal eine andere Perspektive ein: die Situation der Frauen in Schleswig-Holstein (und darüber hinaus), die Bedeutung von politischer Partizipation, von Care-Arbeit und fehlender Infrastruktur. Auch hier ist Vernetzung ein zentrales Thema: Wie können Frauen für Bildungsangebote, für Empowerment und Engagement erreicht werden? Wie kann es gelingen, mehr Frauen für (politische) Ämter zu gewinnen. Wie kann Familie und Engagement besser zusammengebracht werden? Hierzu wird eine Handlungsempfehlung erarbeitet, bei der es manchmal um ganz banale Vereinbarungen geht, z. B. um die Berücksichtigung der Care-Arbeitszeiten bei der Setzung von Terminen. Dies ist ein Thema, das auch Bildungsstätten umtreibt: Wie können z. B. junge Mütter für Bildungsangebote besser erreicht werden? Und welche Themen sind für Frauen besonders zentral? Sind Angebote für Familie eine gute Möglichkeit? Welcher Bedingungen bedarf es, damit Menschen sich angesprochen und eingeladen fühlen?

 

Bei beiden Vorträgen ist deutlich geworden, dass es notwendig ist, sich mit den Themen zu beschäftigen, die in der eigenen Region virulent sind, und deren Bedeutung für die eigene politische Bildung zu prüfen. Bildungsstätten können Räume, Infrastruktur und Knowhow zur Verfügung stellen. Von dieser guten Basis aus sollte der Blick für neue Partner und deren Bedarfe geöffnet und neue Formen der Zusammenarbeit gefunden werden.

 

Neben dem Themenschwerpunkt wurden die üblichen Tagesordnungspunkte bearbeitet wie der Austausch über aktuelle Entwicklungen in den Bundesländern, die bildungspolitischen Entwicklungen auf der Ebene des Bundes und im AdB. Die Gruppe tauschte sich darüber aus, wie die im Projekt GRETA vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) in Zusammenarbeit mit den Verbänden der Weiterbildung (u. a. dem AdB) entwickelten Instrumente besser für die Professionalisierung der Mitarbeiter*innen in den Einrichtungen genutzt werden können.

 

Am Ende der Sitzung wurde in einer ersten Ideensammlung der Themenschwerpunkt für die kommende Sitzung im September 2023 umrissen: KI und politische Bildung. Dann kommt die Kommission in der Europäischen Akademie Berlin zusammen.