“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Innovationskraft in Krisenzeiten

Das Programm politische Jugendbildung trotzt der Corona-Pandemie
Programm Politische Jugendbildung im AdB

Mit viel Motivation sind die Jugendbildungsreferent*innen im Programm politische Jugendbildung ins Jahr 2020 gestartet. Als die Zentrale Arbeitstagung der Jugendbildungsreferent*innen Ende Februar 2020 stattfand, schauten alle noch auf ein voll geplantes und spannendes Jahr. Nur wenige Tage später lösten sich all diese Pläne in Luft auf. Die Covid-19-Pandemie übernahm die weitere Gestaltung des Jahres und der Arbeit in den Bildungseinrichtungen.

Foto: AdB

Die Zentrale Arbeitstagung (ZAT) fand im Gustav-Stresemann-Institut in Niedersachsen e. V. – Europäisches Bildungs- und Tagungshaus Bad Bevensen statt. Die inhaltliche Planung lag in diesem Jahr bei der Fachgruppe "Flucht und Migration", die sich den Schwerpunkt rassismuskritische politische Bildungsarbeit gesetzt hat. Ziel des Fachtags war es, dass sich die Jugendbildungsreferent*innen ihrer Situation, ihrer Herkunft und ihrer heutigen Privilegien bewusst werden und so ihre persönliche Situation gegenüber den Teilnehmenden auch in Seminaren offen darlegen können.

 

In einem sehr bewegenden Workshop mit Aretha Schwarzbach-Apithy wurden die Anwesenden in die Tiefen und Untiefen der westeuropäischen (deutschen) Bildungsinhalte mitgenommen. Der gemeinsame Blick auf oftmals rassistische Menschenbilder in Lehrbüchern oder in Texten und Bildern verdeutlichte, wie wir meist unbewusst in rassistische Inhalte und Strukturen "hineingebildet" wurden. Über viele Jahrzehnte haben sich so Bilder in Köpfen und Verhalten der Menschen festgesetzt. Dies gilt es, sich immer bewusst zu sein, wenn über Rassismus und rassismuskrititische Bildung gesprochen wird. Die Herausforderung liegt darin, sich die über eine so lange Zeit gewachsenen Strukturen bewusst zu machen und zu versuchen, sie nachhaltig zu verändern.

 

Die Entwicklung der Veranstaltungen und Seminartage

Existenzängste, Kurzarbeit, fehlende Buchungen, Absagen, Umbuchungen, Verschiebungen, Planung in Präsenz, Planung in hybrid und Planung in digitaler Form – all das bestimmten die Gespräche und den Alltag der Bildungsreferent*innen im Jahr 2020. Der erste Lockdown, die kurzzeitige Widereröffnung und dann der komplette Lockdown bis weit ins Jahr 2021 hinein, zermürbte viele und machte verlässliches Planen unmöglich.

 

Dennoch ist vieles realisiert worden, wenn auch anders, als ursprünglich geplant. Hilfreich dafür war es, dass auch der Mittelgeber, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), sehr zeitnah auf diese Situation reagiert und die Richtlinie des Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) angepasst hat. So konnten Gelder, die für Maßnahmen gedacht waren, unbürokratisch auf Personalkosten umgewidmet werden. Dadurch war es möglich, neue Konzepte zu entwickeln, digitale Formate zum Teil neu zu konzipieren und zu realisieren.

 

In der folgenden Abbildung 1 werden die Anzahl der Veranstaltungen und der Seminartage seit 2017 dargestellt. Nach einem Anstieg bis 2019 wird ein starker Rückgang im Jahr 2020 sichtbar. Dennoch konnten mehr als 50 % der Veranstaltungen im Vergleich zum Vorjahr stattfinden. Jedoch ist dabei die Anzahl der Veranstaltungstage auf knapp unter 50 % gefallen.

 

Abb. 1: Anzahl der Veranstaltungen und Seminartage 2017-2020 | Abb. 2: Dauer der Veranstaltungen 2017-2020, Abbildungen: AdB
Abb. 1: Anzahl der Veranstaltungen und Seminartage 2017-2020 | Abb. 2: Dauer der Veranstaltungen 2017-2020, Abbildungen: AdB

Durch die Flexibilität in der Förderung konnte zudem erreicht werden, dass die Jugendbildungsreferent*innen weniger von Kurzarbeit betroffen waren, als ihre Kolleg*innen in den Einrichtungen. Es wurde möglich, sich schnell für digitale Bildungsangebote weiterzubilden und neue Konzepte zu planen. Viele Präsenzveranstaltungen konnten so gut auf eine digitale Form übertragen werden.

 

Auch der AdB hat diese Entwicklung unterstützt und Veranstaltungen, die rein digital stattfinden mussten, sehr früh finanziert.

 

Im Rückblick auf diese Zeit erscheint alles unwirklich. Die Zeit raste, obwohl die Welt stillstand. Die Arbeit verdichtete sich extrem, obwohl in einigen Phasen des Jahres nahezu keine Veranstaltungen stattfanden. Das war für alle eine sehr befremdliche Situation.

 

In der Abbildung 2 wird die Entwicklung der Dauer der Veranstaltungen seit 2017 sichtbar gemacht. Hier wird deutlich, dass die längeren Veranstaltungen – wie zu erwarten – eher einen geringeren Anteil im Verhältnis zu den Vorjahren hatten.

 

Entwicklungen bei den Teilnehmenden und Kooperationspartner

Bei einem Blick auf das Alter der Teilnehmenden (vgl. Abbildung 3) und die Art der Kooperationspartner*innen, mit denen im vergangenen Jahr Veranstaltungen stattgefunden haben (vgl. Abbildung 4), kann man erkennen, dass der Bereich der Zusammenarbeit mit Schulen deutlich zurückgegangen ist und so junge Menschen unter 20 Jahren deutlich weniger erreicht wurden, als in den Vorjahren.

 

Abb. 3: Altersverteilung 2017-2020
Abbildung 3: AdB
Abb. 4: Entwicklung der Kooperationen 2017-2020
Abbildung 4: AdB

Die große Unsicherheit und schlechte Planbarkeit, sowie die deutliche Konzentration auf eigene Bildungsinhalte veranlasste viele Lehrer*innen, von außerschulischen Bildungsangeboten Abstand zu nehmen.

 

Der relativ starke Bereich "anderer Kooperationspartner" spiegelt mit 20 % recht eindrücklich wieder, dass es insbesondere bei längerfristigen Projekten immer sehr viele Beteiligte gibt, die zum Erfolg der Projekte beitragen. Genannt werden können da z. B. Museen, Gedenkstätten oder – ganz konkret – das Zentrum für Jugendkulturen (zfk), die Silent university; die Frauen*gruppe NINA oder das Café Exil sowie internationale Kontakte z. B. zum Institut régional du travail social Marseille oder Mission local Marseille.

 

Die Anzahl von Veranstaltungen mit Multiplikator*innen hat deutlich zugenommen. Im Mittelpunkt dieser Veranstaltungen statt oft die digitale Bildung, wodurch die Jugendbildungsreferent*innen zu einer deutlichen Professionalisierung im gesamten Arbeitsfeld beitragen konnten. Hierbei stand z. B. der Umgang mit digitalen Tools, der Transfer von Präsenzmethoden und von politischer Bildung in den digitalen Raum im Mittelpunkt.

 

Die Professionalisierung der Jugendbildungsreferent*innen

Auch die Sitzungen der vier Fachgruppen "Digitale Medien und Demokratie", "Flucht und Migration", "Erinnerung und Teilhabe" sowie "Arbeit und Lebensperspektiven" sowie die gemeinsame Fachgruppensitzung im Herbst haben digital stattgefunden. Viele waren bis dahin fast schon wieder online-müde. Dennoch konnten die Tage sehr intensiv dazu genutzt werden, um neue Motivation aufzubauen und sich für die kommende Zeit in der digitalen Bildungswelt weiter fit zu machen.

 

Leider musste das Programm politische Jugendbildung im AdB im Laufe des Jahres einige personelle Wechsel verzeichnen. Die erhöhte Fluktuation führte neben den aktuellen Herausforderungen zu einem Verlust von Expertise im Programm. Was man hierbei jedoch positiv benennen kann ist, dass alle Referent*innen, die das Programm verlassen haben, in spannende Arbeitsverhältnisse gewechselt sind, die für sie eine neue Herausforderung bedeuten und zur weiteren Vernetzung beitragen.

 

So kann man, nicht nur mit auf Blick auf die persönliche Zukunft dieser Referent*innen, sondern auch mit Blick auf die Schnelligkeit, in der von Präsenz- auf digitale Veranstaltungen umgeplant wurde und so auch die Einrichtungen weiterentwickelt wurden, konstatieren, dass das Programm weiterhin ein Sprungbrett ist – in der persönlichen Entwicklung, wie auch in der qualitativen Entwicklung der politischen Bildungsarbeit im Feld.

 

Die Berichte der Fachgruppen und die Einblicke in innovative Bildungsangebote machen deutlich, dass die Jugendbildungsreferent*innen mit Engagement, Energie und guten Ideen diese schwierige Zeit meistern.