Erfahrungen
„Bei mehrjährigen Projekten merkt man extrem die Entwicklung der Kinder. Im Sinne dessen, dass sie sich selbstbewusst und gestärkt (auch insbesondere im Kontext Anti-Diskriminierung) zeigen. Es bedeutet aber auch, dass sie sich an der Schwelle zum Teenager-Alter natürlich auch etwas distanzieren können.“
(Befragung der Pilotstandorte 2022)
Neben der Konzeption und Umsetzung von Angeboten politischer Bildung für Kinder, ist die Evaluation, Diskussion und Aufbereitung der Erfahrungen und Erkenntnisse aus den Pilotaktivitäten ein zentraler Bestandteil des Modellprojekts. Ziel ist dabei, die gewonnenen Erkenntnisse in den Fachdiskurs einzubringen und in hilfreiche Materialien und Fortbildungen zu überführen.
Auch 2022 wurden neben der wissenschaftlichen Begleitung vor allem die Vernetzungstreffen und Standortbesuche genutzt, um Eindrücke und Ansätze zu sammeln, Ideen für Materialien und Angebote zu entwickeln sowie Diskurse aufzugreifen und sie weiter zu vertiefen.
Manche der Ergebnisse klingen trivial und sind doch ganz elementar: Abwechslungsreiche, aktive Methoden und Abläufe, Lebensweltbezug, Bilder und Geschichten, Freizeitgestaltung, eigenverantwortliches Mitgestalten und Raum für Gespräche sind wichtige Bestandteile in der Arbeit mit Kindern. Dafür braucht es reflektierte, motivierte Teamende, die zugleich fest in den Themen und flexibel in der Umsetzung sind. Eine andere Feststellung kam so überraschend wie selbstverständlich: Kinder werden älter – und so kann es sein, dass bei langfristigeren Projekten ein Format plötzlich nicht mehr passt.
„Ich hatte eine Sache, die mir so, so gut gefallen hat, nämlich, dass wir alle
hier mehr zusammenhalten. Und dass wir zwar (…) etwas mehr Streit
gehabt haben, aber das dann geklärt haben miteinander (…)
Und auch ganz schön war, dass wir alle zusammen, glaube ich, danach
fröhlicher sind.“
(Kinderbefragung im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung 2022)
Nicht neu ist politischen Bildner*innen, dass Unterstützungsbedarfe und Störungen in der Regel Vorrang haben. Besonders in der politischen Bildung mit Kindern ist es kaum möglich, diesen Grundsatz zu ignorieren. Verstärkt wurde dieser Bedarf offenbar auch durch die besonderen Gegebenheiten, die die Kinder in Folge der Pandemie in den letzten Jahren erlebten. So musste in manchen Seminaren mehr Zeit als geplant für die Gruppendynamiken oder aktuelle Konfliktthemen in der Klasse verwendet werden. Wobei dies letztlich immer auch wieder Anknüpfungspunkt für die inhaltlichen Fragestellungen bot. So wurde besonders darauf geachtet, Teilnehmende entsprechend ihrer Fähigkeiten in die Formate zu involvieren. Auch wurden die Kinder bestärkt mit Vielfalt in der Gemeinschaft umzugehen und Respekt, Toleranz sowie der Umgang mit Unterschieden thematisiert.
Kooperationen
„Das Projekt kommt bei allen, die von ihm erfahren haben, gut an und der Bedarf nach Angeboten der politischen Bildung für Kinder wurde gesehen. Entscheidend ist also die Öffentlichkeitsarbeit sowie die persönliche Ansprache bei Grundschulen und Horts.“
(Aus einem Sachbericht der Pilotstandorte 2022)
Auch 2022 arbeiteten die Pilotstandorte mit verschiedenen Kooperationspartner*innen zusammen. Dies ist auch geboten, da bei dieser Zielgruppe Schulsozialarbeiter*innen, Lehrer*innen und Eltern noch eine sehr große Rolle spielen und teilweise als indirekte Zielgruppe angesehen werden sollten.
Enge Kooperationen erfolgen mit Grundschulen, denn dort kann die Zielgruppe gut erreicht werden. Teilweise kann auch beobachtet werden, dass die Themen und Ideen aus den Angeboten auch im weiteren Unterricht oder im Schulkontext weiterverfolgt werden. Kooperationspartner*innen der Standorte sind Kinder- und Jugendverbände, religiöse Gemeinden, Kinder- und Jugendzentren, verschiedene Vereine und Multiplikator*innen. Die Jugendbildungsstätte Freizeitwerk Welper erprobt neben der Zusammenarbeit mit Schulen und Jugendverbänden ebenso die Möglichkeiten der politischen Bildung mit Kindern im Rahmen der offenen Kinder- und Jugendarbeit in einem Jugendzentrum.
In Kassel wurde ein offenes Angebot der Kopiloten e. V. in Kooperation mit einer Stadteilbibliothek konzipiert, in dem digitale Audiostifte von Kinder besprochen und als Begleitmaterial für Bücher zur Verfügung gestellt werden sollten. Anders als bei anderen Kooperationen gab es hier keine konkrete Gruppe von Kindern und es gelang leider nicht über reine Öffentlichkeitsarbeit genug Teilnehmende für den vereinbarten Termin zu werben. Der methodische Ansatz eignet sich jedoch ebenso für andere Zusammenhänge.
Im Vorfeld der Ferienaktionen von Teilseiend e. V. wird neben der Kooperation mit den verschiedenen religiösen Gemeinden ein großer Wert auf die direkte Ansprache der Eltern gelegt. Dies ist sehr aufwendig, ermöglicht aber die Ansprache von schwer erreichbaren Zielgruppen.[1]
Allgemein wird die Arbeit mit den Kooperationspartner*innen als positiv eingeschätzt, allerdings weisen die Kolleg*innen auch darauf hin, dass die Zusammenarbeit viel Kommunikation und Absprachen benötigt, nicht zuletzt weil oft das Selbstverständnis der politischen Bildung und die nachhaltigen Wirkungsdimensionen geklärt werden müssen. Werden z. B. Lehrer*innen in die Themenfindung und Planung einbezogen, ist es wahrscheinlicher, dass die Inhalte auch im Nachgang weiter im Unterricht aufgegriffen werden. Auch wird bei der Arbeit mit Schüler*innenvertretungen (SV) darauf hingewiesen, dass eine langfristige Perspektive und Zusammenarbeit sinnvoll ist, um eigene Projekte der SV-en auch auf lange Sicht zu unterstützen. Generell ist es hier jedoch wichtig, bereits im Vorfeld verbindlich zu klären, in welchem Rahmen eine Umsetzung von entstehenden Ideen unterstützt/ermöglicht wird.
Die Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein legt in ihren Angeboten einen besonderen Fokus darauf, den Kindern zu vermitteln, auf welche Rechte sie sich berufen können. So entstand im Rahmen der Arbeit am Pilotstandort eine Handreichung, die in den Seminaren und in der folgenden SV-Arbeit dafür genutzt werden kann.
Fortbildungen
„Ich finde das Maß an Theorie und Praxis und Austausch gut gelungen – gerne weiter so!“
(Feedback zur Fortbildung Politische Bildung mit Kindern rassismuskritisch gestalten 2022)
Die gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse der Pilotstandorte und des Modellprojektes werden als Grundlage für die Fortbildungsangebote im Rahmen des Projekts genutzt. 2022 wurden sowohl einige Angebote umgesetzt, als auch die Fortbildungsreihe für die Jahre 2023/2024 konzeptioniert.
[1] Vgl. hierzu den Beitrag von Rumeysa Turna und Yasemin Soylu (2023) „Gemeinsam sind wir stark! Praxiserfahrungen einer inklusiven politischen Bildungsarbeit mit Kindern im Grundschulalter“, erschienen in: Außerschulische Bildung. Zeitschrift der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung, Ausgabe 2/2023, S. 59–64.