Das Jahr 2022 hielt für die internationale Arbeit (IJA) im AdB eine Vielzahl von Herausforderungen bereit, die allen Seiten eine hohe Flexibilität abforderten. Dies lag zum einen in der Corona-Lage begründet, die für Träger der IJA bedeutete, sich kreativ auf die verändernden Bedingungen in der Pandemie einzulassen.
Zudem bedeutete die 2022 bestehende Vorläufige Haushaltsführung des Bundes, dass gerade die auf Planungssicherheit angewiesenen internationalen Begegnungsmaßnahmen einem Stop and Go ausgesetzt waren, was zu einer extremen Verdichtung aller Jugend- und Fachkräftebegegnungen in der zweiten Jahreshälfte führte. In der AdB-Geschäftsstelle wurde die Arbeit durch die längere Vakanz in der Sachbearbeitung internationaler Fördermittel zusätzlich erschwert.
Der Russische Angriffskrieg auf die Ukraine bedeutet für die Träger der IJA und insbesondere für die in der internationalen Arbeit tätigen Fachkräfte eine enorme Herausforderung. Viele haben in den letzten Jahren Partnerschaften mit Organisationen aus beiden Ländern – insbesondere aber aus der Ukraine – gepflegt. In der Mitgliedschaft des AdB sind viele Freiwillige aus der Ukraine im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps oder über andere Freiwilligendienste tätig. Es sind intensive Kontakte und Beziehungen – zwischenmenschlich und auf der Ebene der Partnerorganisationen – entstanden. Die Kriegssituation hat nicht nur die Lage der Freiwilligen dramatisch verändert, sondern auch die der Träger. Viele Träger der IJA sind humanitär engagiert: in der Unterbringung Geflüchteter, in der psychosozialen und lebenspraktischen Unterstützung der Freiwilligen, aber auch im Entwickeln spezifischer Kooperationen mit ukrainischen Partnerorganisationen.
Im AdB selbst haben die Mitglieder der Fachkommission Europäische und Internationale Bildungsarbeit zu Kriegsbeginn eine starke Stellungnahme veröffentlicht, die im Feld der (internationalen) politischen Bildung weit rezipiert wurde. Im Verbund mit DARE – Democracy and Human Rights Education in Europe hat der AdB ebenfalls unmittelbar nach Kriegsbeginn ein Online-Seminar mit der ukrainischen Sektion des DVV International und weiteren Organisationen aus der Ukraine durchgeführt, um dem Entsetzen eine Stimme zu geben, aber auch um zu schauen, wo und wie ganz pragmatisch geholfen werden kann. Mitgliedsorganisationen des AdB, wie die Bildungsstätte Bredbeck – Heimvolkshochschule des Landkreises Osterholz haben in Kooperation mit dem DPJW das Projekt Likhtar („Austausch macht Schule“) aufgesetzt, bei dem ein ehemaliger ukrainischer Freiwilliger beschäftigt ist, um Träger in der Zusammenarbeit mit ukrainischen Partnern konkret zu beraten.
Der Krieg ist zwar nicht der erste in Europa in diesem Jahrtausend, sondern steht in einer Linie vorausgegangener kriegerischer Aggressionen, jedoch rührt er an den Grundfesten der europäischen Friedensordnung – Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Mit dieser Zäsur klarzukommen stellt viele Fachkräfte – gerade der IJA – selbst vor enorme psychische Belastungen: Wie weiterarbeiten? Wie mit dem Leid umgehen? Beim „Forum on the present and future of citizenship and human rights education in Europe”, das der Europarat anlässlich der erfreulichen 50 Jahre Jugendabteilung im Europarat in der Woche vor Ostern 2022 in Turin am ILO organisierte, stand die Bestürzung und der Schock im Raum. Matjaž Gruden (Director of Democratic Citizenship, Council of Europe), der auf dem Abschlusspodium einen letzten persönlichen Brief russischer Menschenrechtler*innen an ihre ukrainischen Kolleg*innen vor Kriegsausbruch zitiert und wiederholt mit der Fassung rang, ist ein bleibendes Bild.
Trotzdem weiterarbeiten: Wir haben versucht, in der Internationalen Arbeit des AdB mit der Beratung und Begleitung von Trägern unsere Stimme und Expertise als Fachorganisation der politischen Bildung und Menschenrechtsbildung einzubringen. Wir haben an Veranstaltungen teilgenommen und der Lage internationaler politischer Bildung in Europa Gehör verschafft, beispielsweise beim parlamentarischen Abend Internationale Jugendarbeit, oder im Rahmen von Veranstaltungen der Initiative Austausch macht Schule. Und wir haben im Rahmen der Arbeit der AdB-Fachkommission Europäische und Internationale Bildung und der AdB-Zentralstellenarbeit viele Träger dabei unterstützt, neue Austausche auf den Weg zu bringen und zu entwickeln. Hier konnten wir mit einer gut besuchten Onlineveranstaltung „Versuchs doch mal … international“ am 6. Dezember 2022 mit konkreter Fördermittelberatung für internationale Begegnungen die AdB-Mitglieder und weitere Interessierte unterstützen.