Die Fachgruppe „Digitale Medien und Demokratie“ hat 2022 u. a. die Arbeit an ihrem im Vorjahr begonnen Fachgruppenprojekt „Archiospace“, der Entwicklung eines digitalen Multiplayer Escaperooms, fortgesetzt. Um Nutzung, Wissenstransfer und Weiterentwicklung des Projekts zu gewährleisten, ist eine Anleitung zur Nutzung entstanden. Sie kann auf der Website https://archiospace.de herunter geladen werden. Grundlage von Archiospace ist die Frage: „In welcher Gesellschaft wollen wir heute und morgen zusammenleben?“ Die Digitalisierung unserer Gesellschaft schreitet rasant voran. Um diesen Prozess mitgestalten zu können und eigene Handlungsoptionen kennenzulernen, bedarf es der Auseinandersetzung mit Künstlicher Intelligenz, Algorithmen und Co. Dies will das EscapeRoomGame leisten.
Die Fachgruppe „Erinnerungskultur und Teilhabe“ hat 2022 ihre Auseinandersetzung mit inklusiven Konzepten im Kontext von Gedenkstätten und historisch-politischer Bildungsarbeit fortgesetzt. Hierzu besuchten die Jugendbildungsreferent*innen die Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde in Brandenburg an der Havel, die Menschen mit Behinderung als Guides in ihrem Team einsetzen und führten dort ein Expert*innengespräch.
Die Fachgruppe „Flucht und Migration“ gestaltete gemeinsam mit weiteren Einrichtungen aus dem Programm das Ukraine Solicamp, das im April 2022 im ABC Bildungs- und Tagungszentrum e. V. in Drochtersen-Hüll stattgefunden hat. In einer hybriden Veranstaltung im BarCamp Format bot diese Veranstaltung zeitnah nach Kriegsbeginn politischen Bildner*innen aus Deutschland und der Ukraine einen Raum für Austausch zur politischen Bildungsarbeit zu den Themen Krieg, Flucht und Solidarität. Es ging um einen inhaltlichen Austausch über den Angriffskrieg auf die Ukraine und dessen globale Auswirkungen, um die Thematisierung des Krieges in der politischen Bildungsarbeit sowie um die Vernetzung von Gruppen und Einzelpersonen, die Hilfsangebote für Geflüchtete oder Unterstützungsangebote für Menschen in der Ukraine organisieren.
Politische Jugendbildung 2022 in Zahlen und im Vergleich 2017–2022
Die Arbeit im Programm war in 2022 weiterhin geprägt durch die Pandemie: Auch im Winter 2021/2022 haben Vorgaben zur Einschränkung der Pandemie zeitweise erneut dazu geführt, dass kaum Angebote der politischen Jugendbildung umgesetzt werden konnten. Auch die Folgen wie Kurzarbeit und Verlegung von Angeboten ins Digitale waren in der ersten Jahreshälfte 2022 weiterhin bedeutsam für die Umsetzung des Programms „Politische Jugendbildung im AdB“. Diese Entwicklung spiegelt sich auch beim Blick in die Statistik wider.
Für 2022 lässt sich eine minimale Abnahme der Anzahl der Veranstaltungen gegenüber 2021 beobachten; d. h. weiterhin auch, dass das Niveau von vor der Pandemie nicht wieder erreicht wird (vgl. Abbildung 1).[1] Die Anzahl der Seminartage liegt jedoch gleichauf mit denen von 2021, was darauf hinweist, dass wieder zunehmend auch mehrtägige Veranstaltungen stattfinden. Trotzdem liegen die Seminartage weiterhin rund um 1/3 niedriger als 2019. Insbesondere Formate, die länger als 3 Tage dauern, sind auch in 2022 vergleichsweise wenig vertreten.
Die 2020 begonnene Flexibilisierung der Förderrichtlinie des Kinder- und Jugendplans des Bundes (KJP) durch den Mittelgeber, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), wurde auch in 2022 fortgesetzt und ermöglichte es, Mittel flexibel zu nutzen. So konnten Gelder, die nicht für die Umsetzung von Angeboten der politischen Bildung genutzt werden konnten, unbürokratisch zur Sicherung des Personals eingesetzt und bspw. für die Umsetzung von digitalen Angeboten und für die konzeptionelle Arbeit genutzt werden. Dies hat mutmaßlich auch Auswirkungen auf die Nutzung von Fördermitteln für die Umsetzung von Veranstaltungen und Angeboten der politischen Bildung im Programm. Vermutlich wurden aufgrund der flexibleren Nutzungsmöglichkeit der KJP-Mittel, die Mittel aus Sonderförderprogrammen der Bundesländer und auch aus dem Programm „Aufholen nach Corona“ zunächst vorrangig für Veranstaltungen eingesetzt. Ob zukünftig eine Rückkehr zur Anzahl von Veranstaltungen und Seminartagen aus 2019 zu beobachten sein wird, muss sich zeigen. Bei der Entwicklung der Finanzierungsarten ist in 2022 ein Rückgang der Finanzierung durch Landesmittel erkennbar, während andere Förderarten annährend gleichbleibend sind. Der Anstieg von Landesmitteln in 2021 ist höchstwahrscheinlich auf Sonderprogramme während der Corona-Pandemie zurückzuführen (vgl. Abbildung 2).
Bei den in 2022 umgesetzten Kooperationen ist eine leichte Annährung an 2019, das letzte Jahr vor der Pandemie, zu beobachten. Die Zusammenarbeit mit Schulen ist zwar im Vergleich zu 2019 weiterhin niedriger, steigt aber wieder deutlich an. Die Kooperationen in der Kinder- und Jugendhilfe nehmen wiederum ab, was darauf hinweist, dass der Anteil an Angeboten zur Fachkräftequalifikation, die im Rahmen des Programms „Politische Jugendbildung im AdB“ angeboten werden, wieder sinkt. In den vergangenen zwei Jahren war hier ein gleichbleibendes Niveau an Kooperationen zu beobachten bei gleichzeitig stark gesunkener Anzahl an Kooperationen mit Schule. Dies weist darauf hin, dass während der pandemiebedingten Schulschließungen, insbesondere Kooperationspartner*innen aus der Kinder- und Jugendhilfe an Bedeutung gewonnen haben und diese Entwicklung nun wieder rückläufig ist (vgl. Abbildung 3).
Ähnlich wie bei den Kooperationspartner*innen lässt sich bei der Altersverteilung der erreichten Teilnehmenden erkennen, dass wieder mehr Kinder und Jugendliche erreicht werden, während die Anzahl der erreichten Fachkräfte und Multiplikator*innen sinkt. Zwar ist auch hier noch nicht das Niveau aus 2019 erreicht, aber ein Trend zur verstärkten Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist erkennbar.
Im Hinblick auf die Altersverteilung ist trotz der wieder steigenden Anzahl an Kindern und Jugendlichen ein Rückgang der Anzahl der 6–12-Jährigen als Teilnehmende auf das Niveau von 2020 erkennbar, nachdem es in 2021 einen deutlichen Anstieg bei dieser Alterskohorte gegeben hatte. Wie sich diese Entwicklung fortsetzt und was dies für das Ziel bedeutet, auch jüngere Zielgruppe für die politische Jugendbildung mehr im Blick zu haben und dauerhaft zu etablieren, wird sich zeigen müssen (vgl. Abbildung 4).
Bei der Auswertung der Geschlechterverteilung der Teilnehmenden ist eine Rückkehr bzw. Umkehr der Verteilung im Vergleich zu 2021 zu beobachten. In 2022 wurden anteilig deutlich mehr männliche Personen (54, 8 %) als weibliche (45,2 %) erreicht. Hier wird sich niederschlagen, dass weniger Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe erreicht wurden und damit auch weniger weibliche Personen – da in den Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe ein deutliches Übergewicht der weiblichen Beschäftigten zu verzeichnen ist. Darüber hinaus steigt aber auch der Anteil der Personen, die keine Angaben zum Geschlecht machen oder sich nicht als männlich oder weiblich positionieren. In den zukünftigen Statistiken zum Programm werden wir dahingehend eine differenziertere Auswertung vornehmen, um validere Aussagen über die Entwicklung treffen zu können (vgl. Abbildung 5).
Rückblick und Auswertung der Laufzeit 2017–2022
Aus der Auswertung der Zusammenarbeit in den Fachgruppen und im Gesamtprogramm bei der letzten gemeinsamen Fachgruppensitzung in Weimar vom 2.–4. November 2022 lassen sich einige zentrale Punkte hervorheben:
Die Zusammenarbeit im Programm wird insgesamt als sehr positiv bewertet. Hinderlich für die stetige und fortlaufende Zusammenarbeit in den Fachgruppen waren manches Mal jedoch personelle Veränderungen bei den Stellen der Jugendbildungsreferent*innen, da hier immer wieder eine Einarbeitung gewährleistet werden muss.
Seit 2021 steht den Fachgruppen im Programm alle zwei Jahre ein Budget zur Umsetzung gemeinsamer Vorhaben zur Verfügung, das ermöglichen soll, Aktivitäten der Bildungspraxis und des Wissenstransfers zu Themen, Formaten oder Methoden der politischen Jugendbildung zu realisieren. Diese Möglichkeit wird als gute und hilfreiche Innovation im Programm bewertet.
In der Laufzeit 2017–2022 lautete das Querschnittsthema im Programm „Inklusion“. Hierzu gab es ein gemischtes Feedback. Einerseits wird die inklusive Gestaltung von politischer Jugendbildung und die Auseinandersetzung mit Inklusion als sehr wichtig angesehen. Andererseits ist am Ende der sechsjährigen Laufzeit auch eine weiterhin deutliche Notwendigkeit sichtbar, sich weiter damit auseinanderzusetzen und entsprechende Kompetenzen weiterzuentwickeln. Es besteht zwar viel Entwicklungspotenzial auf den unterschiedlichen Ebenen, die von Inklusion berührt werden, aber die Möglichkeit zu mehr Fortbildungsangeboten zum Thema werden von den Jugendbildungsreferent*innen für die nächsten Jahre angeregt. Diese Anregungen fließen auch in die nächsten Schritte des diversitätsorientierten Verbandsentwicklungsprozesses des AdB ein.
Neben diesen Punkten haben die Jugendbildungsreferent*innen dem AdB einige Ideen und Anregungen für mögliche Veränderungen in der zukünftigen Programmumsetzung mitgegeben, von denen bei der Umsetzung ab 2023 bereits einige berücksichtigt werden.
Blickt man auf die Themen, die die Fachgruppen in den vergangenen sechs Jahren beschäftigt haben, zeigt sich eine enorme Vielfalt und Heterogenität und das trotz – oder vielleicht auch besonders wegen – Pandemie und multipler Krisen. Eine ausführliche Darstellung ausgewählter Themen und Debatten der Fachgruppen hat der AdB in der Broschüre „Wir reden mit! Räume für politische Jugendbildung im Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten“ veröffentlicht, die die vergangenen sechs Jahre im Programm reflektiert.
Alle Jugendbildungsreferent*innen wurden außerdem aufgefordert, anhand einer Online-Abfrage eine Auswertung und Reflexion zu ihren einzelnen Vorhaben bei ihren Trägern im Programm in den vergangenen sechs Jahren zu machen. Im Folgenden eine kurze Zusammenfassung der Antworten:
Der überwiegende Anteil der Vorhaben wurde wie geplant umgesetzt. Alle Träger beschreiben aber auch einzelne Bausteine wie Zielgruppen oder Kooperationspartner*innen sowie Themen, die sie aufgrund unterschiedlicher Ursachen nicht oder nicht vollständig oder anders als geplant umgesetzt haben.
Als rückblickend größte Veränderung und Überraschung in der Umsetzung ihres Vorhabens wird häufig die Corona-Pandemie genannt, die viele Formate, Themen und Methoden auf Eis gelegt und zugleich auch neue angestoßen hat. Außerdem haben einige Vorhaben Schwerpunkte gesetzt, die in der Antragsstellung nicht vorhersehbar waren. Teilweise wurden Themen oder Zielgruppen stärker in den Blick genommen als geplant und andererseits teilweise im Antrag vorgesehene Zielgruppen weniger erreicht als ursprünglich vorgesehen.
Alle Vorhaben und die im Rahmen des Programms „Politische Jugendbildung im AdB“ entwickelten Formate werden bei den Trägern – teilweise zukünftig in kleinerem Rahmen – fortgesetzt. Themen, die sich durch das Programm beim Träger etabliert haben, werden ebenso fortgeführt – entweder in der neuen Laufzeit im Programm oder durch Kolleg*innen beim Träger.
Inklusion als Querschnittsthema hat in den Vorhaben in sehr unterschiedlichem Maße Berücksichtigung gefunden. Es lässt sich jedoch sagen, dass alle sich des Themas angenommen haben (oder es zumindest versucht haben) und konkrete Maßnahmen baulicher Art oder in ihren Konzepten und Zugängen zu Bildungsformaten getroffen haben, um diese inklusiver zu gestalten. Es wird jedoch auch von allen deutlich gemacht, dass dies nicht das Ende der Entwicklung sein darf.
Gefragt nach ihren persönlichen Highlights in der Laufzeit, gibt es seitens der Jugendbildungsreferent*innen sehr viel positives Feedback für die Zusammenarbeit, den Wissenstransfer und den Austausch in den Fachgruppen und die gemeinsamen Tagungen im Programm. Negatives Feedback gab es bezüglich der Bürokratie, zum Aufwand für Berichte und zum insgesamt gestiegenen Druck und zum Arbeitsaufkommen in den jeweiligen Arbeitskontexten.
Das Programm „Politische Jugendbildung im AdB“ und die Zusammenarbeit mit und Unterstützung (fachlich, finanziell, administrativ, beratend) durch den AdB werden als sehr positiv und kollegial hervorgehoben.
Auswahlverfahren: Auf dem Weg zum Start der neuen Laufzeit ab 2023
Das Auswahlverfahren im Programm „Politische Jugendbildung im AdB 2023–2028“ wurde im Januar 2022 mit der Ausschreibung fortgesetzt. Zuvor hatte die Mitgliederversammlung im November 2021 das Konzept und die vier Themenschwerpunkte im Programm für die Laufzeit 2023–2028 beschlossen:
- Soziale Frage und politische Teilhabe
- Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
- Rassismus und Antisemitismus
- Klimakrise und sozial-ökologische Transformation
Alle AdB-Mitgliedseinrichtungen, die politische Jugendbildung anbieten, hatten die Gelegenheit, sich bis Ende März 2022 mit einem Vorhaben in einem der vier Schwerpunktthemen zu bewerben. Bis zur Frist sind in der AdB-Geschäftsstelle 38 vollständige Anträge eingegangen. Da für die Förderung im Programm nur begrenzte Mittel aus dem KJP zur Verfügung stehen, musste unter den Anträgen eine Auswahl getroffen werden.
Es wurde eine Auswahlkommission gebildet, der sowohl Personen aus dem AdB-Vorstand als auch aus der AdB-Geschäftsstelle (Rebecca Arbter, Sebastian Bock) angehörten.
[1] Alle Abbildungen finden sich in der PDF adb_jahresbericht_2022_statistik_politische_jugendbildung