“Demokratie
braucht
politische Bildung”

„Wie geht's? Wenig erreichte Zielgruppen der politischen Bildung – Zugangsmöglichkeiten“

Teilnehmende des Abschlussgesprächs (v.li.n.re.) A. Busse, S. Achour, H. Becker, I. Bielenberg, Th. Gill
Foto: Fotostudio Heupel
12.12. 2016

Fachtagung bringt Forschung und Praxis zusammen

Am 5. und 6. Dezember 2016 trafen sich in Berlin über 100 Wissenschaftler/-innen, Praktiker/-innen und weitere Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der politischen Bildung zur Jahrestagung der Transferstelle politische Bildung. Die Tagung fand in Kooperation mit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung (Veranstaltungsort), dem Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten und dem Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin statt.

 

In Vorträgen, 16 Transferdialogen und einer Podiumsdiskussion wurde das Thema aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven und vor dem Hintergrund der Praxiserfahrungen diskutiert und wurden Perspektiven für die politische Bildung entwickelt.

 

Im Eröffnungsvortrag berichtete der Schriftsteller und Journalist Jürgen Wiebicke über seine Erfahrungen und Erkenntnisse im Sommer 2015, die er auch in seinem Buch „Zu Fuß durch ein nervöses Land. Auf der Suche nach dem, was uns zusammenhält“ veröffentlicht hat. Wiebicke sprach von einem „Geselligkeitsproblem“. Er habe die Erfahrung gemacht, dass viele sich einbringen wollen, aber gar nicht mehr wüssten, wie das geht. Er gab zu bedenken, dass die Veränderungen durch Globalisierung nicht nur in Städten sichtbar werden, sondern sich insbesondere in ländlichen Räumen zeigen. Er forderte die politische Bildung auf, Orte für Begegnungen zu schaffen und die eigene Haltung gegenüber ihren Adressatinnen und Adressaten zu reflektieren.

 

Der Politikwissenschaftler Sven Liebert betonte in seinem Vortrag das wachsende politische Interesse junger Menschen und sprach über ihr politisches Engagement. Er machte deutlich, dass letzteres heute häufig abseits von Parteien stattfinde. Gerade darin sieht Liebert eine Chance für die politische Bildung und die Zivilgesellschaft. Er empfahl das Thema Politik von negativ konnotierter Parteipolitik zu entkoppeln und niedrigschwellige, wirksamkeitsorientierte Angebote vor Ort zu schaffen.

 

Dr. Helle Becker und Barbara Christ von der Transferstelle politische Bildung gaben einen Überblick über die Forschungslage zum Thema Zugangsmöglichkeiten zu bisher wenig erreichten Zielgruppen. Die Transferstelle politische Bildung hat 2016 dafür mehr als 160 empirische Forschungsarbeiten zusammengetragen. Die Referentinnen machten anhand von Beispielen deutlich, dass es vielfältige Zugänge gibt, die Wissenschaft und Praxis politischer Bildung bereits darstellen. Gleichfalls wiesen sie darauf hin, dass es insbesondere im Bereich der (politischen) Erwachsenenbildung ein Forschungsdefizit gibt. Sie reflektierten außerdem die Fokussierung auf Zielgruppen.

 

Im Zentrum der Fachtagung standen zahlreiche moderierte Transferdialoge, in denen die Teilnehmenden aktuelle Ergebnisse empirischer Forschung aus unterschiedlichen Fachrichtungen und Praxiserfahrungen diskutierten, Forschungslücken aufzeigten und Perspektiven für die politische Bildung formulierten, um Zugänge zu bisher wenig erreichten Zielgruppen zu schaffen. Die Themen der Transferdialoge reichten von Fragen bzgl. des Habitus oder der passenden Ansprache über die Chancen aufsuchender Bildungsarbeit bis zu Fragen der Aktualität oder Methoden und Formaten politischer Bildung.

 

Zum Abschluss der zweitägigen Fachtagung diskutierten auf dem Podium Prof. Dr. Sabine Achour, Professorin am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin, Ina Bielenberg, Geschäftsführerin des Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten, Arne Busse, Fachbereichsleiter „Zielgruppenspezifische Angebote“ der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Dr. Helle Becker, Projektleitung der Transferstelle politische Bildung und Thomas Gill, Leiter der Berliner Landeszentrale für politische Bildung die Konsequenzen der Jahrestagung für die politische Bildung. In der Diskussion wurde insbesondere für die außerschulische politische Bildung und die politische Erwachsenenbildung auf fehlende Forschungsstrukturen sowie auf den Abbau der didaktischen Ausbildung hingewiesen, da kaum noch Lehrstühle für beide Bereiche an den Hochschulen existieren. Gefordert wurden mehr Kooperationen sowie mehr Anerkennung politischer Bildung in und außerhalb von Schule. „Gerade in Zeiten wie diesen können und müssen wir zeigen, dass politische Bildung mehr ist als nur die Feuerwehr. Wir brauchen politische Bildung für alle!“, so Dr. Helle Becker zum Abschluss der Diskussion.

 

Videomitschnitte der Tagung finden Sie hier.

 

Eine ausführliche Dokumentation der Tagung mit Berichten, Videoaufzeichnungen und Interviews mit Expertinnen und Experten finden Sie in den nächsten Tagen und Wochen hier.