“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Wirtschaftskrise – Krise der Demokratie? AdB-Vorstand zu Wirkungen der Finanzkrise auf die politische Bildung (Berlin)

12.06. 2009

Die bedrohlichen Folgen der weltweiten Banken- und Finanzkrise sind auch in Deutschland zu spüren: Wirtschaftliche Prosperität und Wohlstand sind im Kern gefährdet, die Zahl der Firmeninsolvenzen steigt ebenso wie die Zahl der Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, die Staatsschulden wachsen immens. Die Gründe für diese Krise liegen in offensichtlichen Fehlentwicklungen, die sich zum Teil schon vor Jahren abzeichneten. Stichworte in diesem Zusammenhang sind die Deregulierung von Märkten, der Abbau von Kontrollen, das Vertrauen auf verantwortliches Handeln von Unternehmensleitungen und die Verselbstständigung insbesondere des Finanzsektors mit der riskanten Jagd nach immer höheren Renditen.

Diese Renditen haben sich mittlerweile in milliardenschwere Verluste verkehrt, auf die mit Hilfspaketen aus öffentlichen Mitteln in enormer Höhe reagiert wird. Während die Gewinne aus den spekulativen Finanzgeschäften der vergangenen Jahre den Privatbesitz einiger vermehrten, müssen nun die Verluste von allen getragen werden.

 

Angesichts dieser Entwicklungen mehren sich die Zeichen, dass das Vertrauen der Menschen nicht nur in den Markt, die Banken und die Stabilität des Geldes schwindet, sondern gleichzeitig auch in die Souveränität der Politik und die Gestaltungskraft der Demokratie. Demokratische Institutionen und demokratische Regelungsmechanismen sind in eine Legitimationskrise geraten, weil die Handlungsmacht der politischen Führung durch die Fakten schaffende Macht der Ökonomie ad absurdum geführt und von den milliardenschweren konjunkturellen Stützungsmaßnahmen jeglicher Gestaltungsspielraum eingeschränkt wird.

 

Vor dem Hintergrund einer seit längerem zu beobachtenden Politikskepsis und Parteienverdrossenheit vor allem vieler junger, aber zunehmend auch älterer Menschen ist eine solche Entwicklung fatal. Demokratie ist auf das Vertrauen, das Interesse und die Mitwirkung möglichst vieler angewiesen. Sie lebt davon, dass sich die in ihr lebenden Menschen engagieren und an den sie betreffenden politischen Angelegenheiten beteiligen.

 

Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten und die in ihm zusammengeschlossenen Einrichtungen beobachten die oben skizzierte Entwicklung mit großer Sorge. Als Träger politischer Bildung ist es ihre Aufgabe, Menschen zu aktivem politischem Handeln in der Demokratie zu ermutigen und zu befähigen. Sie tun dies mit Angeboten, die

  • über politische, gesellschaftliche, historische und ökonomische Entwicklungen informieren, Zusammenhänge aufzeigen, Orientierung und die Herstellung einer eigenen, begründeten Haltung ermöglichen;
  • demokratische Grundwerte vermitteln, die Anwendung demokratischer Verhaltens- und Verfahrensweisen trainieren und in friedlichen Formen der Auseinandersetzung üben;
  • zu politischer und gesellschaftlicher Teilhabe ermutigen und befähigen sowie zum Erkennen und Durchsetzen eigener Interessen im Rahmen eines gerechten und solidarischen Interessenausgleichs.

 

Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten appelliert an die politisch Verantwortlichen in Bund, Ländern und Gemeinden, die im AdB zusammengeschlossenen Bildungsstätten, Heimvolkshochschulen, Bildungswerke, Europahäuser und Akademien bei ihrem wichtigen Engagement zu unterstützen. Die Arbeit der Träger kann nur erfolgreich sein, wenn ihr Engagement nicht durch eine Politik konterkariert wird, die sich von den Menschen und ihrem Alltag entfernt und demokratisches Engagement nutzlos erscheinen lässt.

 

Die Akteure in Staat und Politik sind dringend aufgefordert, sich nicht länger aus ihrer Verantwortung für eine verlässliche Wirtschafts- und Finanzpolitik zu verabschieden. Kein Bereich in einem demokratischen Staat sollte sich den demokratischen Regeln entziehen dürfen. Eine Abkoppelung wie der des Finanzsektors aus gesellschaftlicher Einbindung und staatlicher Kontrolle gefährdet letztlich Demokratie als akzeptierte Gesellschaftsform. Demokratie in ihrer Grunddefinition ist aber eine Gemeinschaft, die ihre Zukunft miteinander gestaltet. Dazu kann politische Bildung ihren wichtigen Teil beitragen.

 

Verabschiedet vom Vorstand des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten, Juni 2009