“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Zukunft hat Herkunft – Politische Bildung gestaltet Demokratie (Bad Zwischenahn)

27.11. 2008

Stellungnahme zum AdB-Jahresthema 2009

 

Das Jahr 2009 wird ein Jubiläumsjahr der Demokratie in Deutschland. Zahlreiche Gedenktage werden an die Wiedereinführung der Demokratie und den Aufbau demokratischer zivilgesellschaftlicher Organisationen in Deutschland erinnern.

 

Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten hat für das 50. Jahr seines Bestehens bewusst ein Jahresthema gewählt, das die Auseinandersetzung mit der Geschichte, auch der eigenen, in den Mittelpunkt stellt. Historische Bildung ist ein wichtiger Bestandteil der Praxis außerschulischer politischer Bildung. Die Auseinandersetzung mit Geschichte schafft ein Bewusstsein über Herkunft und Grundlagen der Demokratie, unterstützt das Denken in historischen Zusammenhängen und bietet Orientierung für das eigene politische Handeln in Gegenwart und Zukunft.

 

Nach dem Scheitern der Weimarer Republik, deren Verfassung vor 90 Jahren in Kraft trat, wurde vor 60 Jahren das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet und damit der zweite demokratisch verfasste Rechtsstaat errichtet. Die verfassungsmäßig garantierten Menschenrechte für alle in der Bundesrepublik lebenden Menschen sind essentielle Voraussetzungen, die den Aufbau einer demokratischen Gesellschaftsordnung erst möglich gemacht haben. Die Akteure politischer Bildung haben es stets als ihre Aufgabe verstanden, diesen Aufbau zu unterstützen und zu gestalten.

 

Begründet wird diese zentrale Aufgabe der politischen Bildung vor allem durch die Tiefpunkte deutscher Geschichte - an erster Stelle die NS-Terrorherrschaft, geprägt durch Totalitarismus, Rassismus und planmäßige Vernichtung. Nach dem Ende der menschenverachtenden NS-Terrorherrschaft wurde im westlichen Teil Deutschlands die Chance der Demokratisierung genutzt, eine Gesellschaftsordnung zu errichten, die den Menschen persönliche Freiheit und politische Mitwirkung ermöglicht.

 

Die Auseinandersetzung mit der SED-Herrschaft in der DDR ist besonders seit dem Erfolg der friedlichen Revolution vor 20 Jahren ein weiteres zentrales Feld der Aufarbeitung deutscher Geschichte durch die politische Bildung. Parteidiktatur, Missachtung der Bürger- und Menschenrechte, Opposition und Widerstand, informelle politische Bildung sowie das Alltagsleben in der DDR sollten zukünftig wieder eine stärkere Bedeutung in der politischen Bildungsarbeit bekommen.

 

Die Vielzahl der Träger politischer Bildung im Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten, die aufgrund unterschiedlicher politischer, weltanschaulicher und gesellschaftlicher Bewegungen entstanden sind, garantieren eine plurale, unabhängige und zielgruppenorientierte Angebotsvielfalt, mit der die beschriebenen Themen mit großer fachlicher und pädagogischer Kompetenz aufgegriffen werden. Diese Angebotsvielfalt gilt es zu erhalten und zu fördern. Denn sie sichert, mehr als die im Jahr 2009 zu erwartenden „Leuchtturm“-Veranstaltungen und Geschichtsevents, die notwendige Nachhaltigkeit historisch-politischer Bildung.

 

Zugleich müssen sich die Träger und Einrichtungen selbst der Weiterentwicklung des Aufgabenfeldes widmen. Rahmenbedingungen, Zielgruppen, auch Themen haben sich verändert und sollten in den Angeboten berücksichtigt werden:

  • Deutschland ist ein Einwanderungsland mit einer sich weiter ausdifferenzierenden pluralen Gesellschaft. Diese Pluralität wird die Erinnerungskultur und damit auch die historisch-politische Bildungsarbeit stärker als bisher prägen.
  • Nationalsozialismus und SED-Herrschaft sind zentrale Themen historisch-politischer Bildung. Politische Bildung hat die Aufgabe, verschiedene Formen diktatorischer und autoritärer Herrschaft aufzuarbeiten, ohne diese gleichzusetzen.
  • Menschen, die als Zeitzeugen über den Nationalsozialismus aus eigener Anschauung berichten können, werden in naher Zukunft nicht mehr leben. Dieser große Verlust nicht zuletzt für die Bildungsarbeit wird durch ein differenziertes Methodenangebot auszugleichen sein.
  • Neue Medien und ihre technischen Möglichkeiten prägen wesentlich Vorstellungsvermögen, Kommunikationsverhalten und Lernkultur vor allem junger Menschen. Sie sollten Eingang in die historisch-politische Bildungsarbeit finden, aber auch kritisch reflektiert werden.
  • Politische Bildung schließt eine europäische und internationale Dimension ein und eröffnet dadurch Chancen, unterschiedliche Perspektiven herauszuarbeiten und ein gemeinsames Verstehen zu entwickeln.

Die Zukunftsfähigkeit der Demokratie in Deutschland und Europa setzt die Auseinandersetzung mit der Geschichte voraus. Dadurch wird es möglich, Kontinuitäten und Brüche gleichermaßen sichtbar zu machen und ein Verständnis für heutige Entwicklungen und Zusammenhänge zu schaffen. Aus der Vergangenheit lernen heißt auch, den aktuellen Zustand der demokratischen Kultur kritisch zu begleiten. Seit Bestehen der Bundesrepublik sind Grundrechte immer wieder in Gefahr gewesen, eingeschränkt, verändert oder ausgehöhlt zu werden. Die Gefährdungen der Demokratie am historischen Beispiel zu vergegenwärtigen und den Wert einer offenen und demokratischen Gesellschaft für alle Menschen deutlich zu machen, ist ständige Aufgabe der politischen Bildung.

 

Beschlossen von der Mitgliederversammlung am 27.11.2008 in Bad Zwischenahn