“Demokratie
braucht
politische Bildung”

Mit politischer Bildung den demographischen Wandel zukunftsfähig gestalten (Bad Bevensen)

29.11. 2006

Stellungnahme zum AdB-Jahresthema 2007

 

Das Thema, das der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten zu seinem Jahresthema 2007 bestimmt hat, verweist auf eine Entwicklung, die sich schon seit Jahren abzeichnet, von Politik und Gesellschaft aber lange ignoriert wurde. Dass die Menschen in unserem Land immer älter werden und die Geburtenrate auf einen Stand gesunken ist, der das zahlenmäßige Verhältnis zwischen den Generationen aus der Balance bringt, ist seit langem bekannt, jedoch wurde bislang versäumt, sich den daraus resultierenden Herausforderungen zu stellen. Der demographische Wandel führt nicht nur zu einer Abnahme der Bevölkerungszahl in vielen europäischen Staaten, sondern auch zu einer Bevölkerungsstruktur, in der einer sinkenden Zahl junger Menschen steigende Zahlen älterer gegenüber stehen und immer weniger Junge für immer mehr Ältere sorgen müssen. Das überfordert die sozialen Sicherungssysteme, die noch auf einem „Generationenvertrag“ beruhen, dessen Voraussetzungen heute schon obsolet geworden sind.

 

Von Arbeitslosigkeit sind die älteren Generationen in Deutschland in besonderem Maße betroffen. Aber auch viele junge, selbst gut ausgebildete Menschen haben Schwierigkeiten bei der Suche nach einem ihre Existenz sichernden Arbeitsplatz. Sie verlassen ihre Heimat, wenn sie bessere berufliche Perspektiven in anderen Regionen ihres Landes oder im Ausland sehen. Diese Abwanderungsbewegungen verringern die Einwohner/-innenzahlen in vor allem ländlichen Gebieten überproportional und führen zu einer Überalterung, die eine Anpassung der Infrastruktur von Gemeinden an veränderte Bedarfslagen erfordert. Kindergärten und Schulen müssen geschlossen, Alten- und Pflegeeinrichtungen ausgebaut, Wohnanlagen „zurückgebaut“ oder altersgerecht umgestaltet werden.

 

Auch wenn die Folgen des demographischen Wandels bereits allenthalben spür- und sichtbar sind, lässt sich das volle Ausmaß der damit einhergehenden Veränderungen in allen unseren Lebensbereichen noch nicht absehen. In der öffentlichen Diskussion bestimmen alarmistische Darstellungen von Horrorszenarien das Bild, die Beschwörung des „Kriegs der Generationen“ fördert Verunsicherung und Angst und schürt ein feindseliges Klima zwischen den Generationen.

 

Politische Bildung kann sozial- und familienpolitische Entscheidungen nicht ersetzen, ihre Voraussetzungen aber klären und ihre Konsequenzen aufzeigen. Sie kann die Diskussion über die Zukunft unserer Gesellschaft versachlichen und die Entwicklung von Vorstellungen zu ihrer Gestaltung anregen und begleiten. Politische Bildung kann die Probleme und Chancen des demographischen Wandels verdeutlichen und Foren organisieren, auf denen Möglichkeiten zur Bewältigung der neuen Herausforderungen erörtert und notwendige Veränderungen in der Organisation von Gesellschaft und im eigenen Lebensumfeld eingeleitet werden.

 

Politische Bildung muss die Auswirkungen des demographischen Wandels auf ihre eigene Praxis reflektieren und ihnen mit angemessenen Angeboten begegnen. Dazu gehören

  • die Entwicklung generationenübergreifender Ansätze, die junge und alte Menschen zur Auseinandersetzung mit den sie gemeinsam betreffenden Fragen zusammenbringen,
  • die stärkere Einbeziehung von Menschen aus Einwandererfamilien, deren Anteil vor allem an den jungen Generationen wächst,
  • Angebote zur Förderung der Integrationsbereitschaft und
  • die Ausweitung von Angeboten für ältere und alte Menschen, um ihre Beteiligung an den öffentlichen Angelegenheiten zu fördern und sie für die Wahrnehmung ihrer eigenen Belange zu aktivieren.

 

Politische Bildung muss nicht zuletzt auch die eigenen Einrichtungen, ihre Ausstattung, ihre Organisations- und Arbeitsformen daraufhin prüfen, ob sie den Anforderungen künftiger Teilnehmer/-innengruppen noch entsprechen.

 

Älterwerden ist ein existenzieller lebenslanger Prozess, dem wir alle unterliegen. Alte Menschen nur als Kostenfaktor und Kinder vor allem als künftige Beitragszahler zu betrachten, ist zutiefst inhuman. Den demographischen Wandel zukunftsfähig zu gestalten, setzt voraus, die Potenziale der älteren und jungen Menschen zu entfalten und Chancengleichheit und Beteiligung für alle Generationen zu sichern. Diesem Ziel will der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten mit der Wahl seines Jahresthemas 2007 Geltung verschaffen.

 

Bad Bevensen, 29. November 2006