Galsscheibe mit dem 1. Artikel des Grundgesetzes

Wir feiern die Demokratie! 75 Jahre Grundgesetz

Auf allen Kanälen werden die Feierlichkeiten zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes am 23. Mai 2024 beworben – ja, wird das Feiern der Demokratie beschworen. Gründe dafür gibt es genug: Das Grundgesetz hat sich als gute und tragfähige Grundlage für das Zusammenleben in Deutschland bewiesen, gleichzeitig müssen wir angesichts der zunehmenden Angriffe auf die Demokratie feststellen, dass die im Grundgesetz verankerten demokratischen Werte keine unerschütterliche Selbstverständlichkeit besitzen.

Das Grundgesetz ist ein veränderbares, dynamisches Instrument, das seit seiner Ausfertigung bereits 67 Mal geändert worden ist (vgl. Deutscher Bundestag 2024). Auch wird und wurde immer wieder um das Grundgesetz gestritten. So wird z. B. der Umgang mit dem Grundgesetz im Zuge der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten 1990 durchaus zwiespältig beurteilt: Hätte eine gemeinsame Verfassung, die, beruhend auf dem bewährten Grundgesetz, aber angepasst auf die neue Situation und versehen mit neuem Namen, den Menschen in den neuen Bundesländern ein stärkeres Gefühl der Zugehörigkeit vermittelt?

So steht auch heute noch auf der politischen und zivilgesellschaftlichen Agenda, das Grundgesetz stärker in der Gesellschaft zu verankern, es zu schützen, aber auch zu diskutieren und gegebenenfalls zu verändern. Immer wieder muss die Frage gestellt werden, ob und wie das Grundgesetz für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wirken kann, der alle Menschen in Ost und West, alteingesessen oder zugewandert, einbezieht.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich verschiedene Aufgaben für die politische Bildung: Sie will – zusammen mit weiteren Akteuren der Zivilgesellschaft und der Politik – die Grundrechte verteidigen und zu ihrer Vermittlung beitragen. Sie kann helfen, die mit dem Grundgesetz verbundenen Wertorientierungen in den Alltag der Menschen einzubinden und mit Leben zu füllen. Die Träger politischer Bildung können ihren Beitrag durch die Vermittlung von Kompetenzen für das demokratische Miteinander leisten. Dazu gehört es zu lernen, Konflikte auszuhalten und Kompromisse einzugehen. Am 75. Jahrestag des Grundgesetztes scheint dies die besondere Herausforderung zu sein: das (erneute) Einüben einer positiven Streitkultur. Politische Bildung kann dazu ihren Beitrag leisten. Dies kann sie aber nur, wenn die politisch Verantwortlichen ihren Aufgaben nachkommen, die demokratischen Institutionen und zivilgesellschaftlichen Akteure zu schützen und zu stärken sowie die Demokratie als Staats-, Gesellschafts- und Lebensform nachhaltig zu fördern.